laut.de-Kritik
Alles egal, verdammt? Stimmt doch gar nicht.
Review von Dani FrommGerade erst hab' ich es einen anderen erzählen hören. Die Erkenntnis liegt aber auch nicht gerade fern: Wenn du feststellst, du gehörst nicht dazu, ergibt der krampfhafte Versuch, sich anzupassen, wenig Sinn. Erfolgversprechender erscheint, die Not zur Tugend zu erheben und die Außenseiterrolle, in der man ohnehin steckt, zu umarmen und zu kultivieren.
"Ich geb' dem Business noch zwei Jahre", unkt Rotten Monkey, "und Rapper tragen Yogapants." Eine leise gruselige Vorstellung, wenn auch keine abwegige, angesichts der Netzhautattacken, in die junge Menschen und solche, die nicht alt erscheinen wollen, sich so gewanden. Einigermaßen hanebüchen erscheint jedoch der Gedanke, der jeweils gerade ausgegebene Dresscode könne hier irgendjemanden auch nur für fünf Pfennig interessieren.
"Ich hab' keine Ahnung", formuliert Rotten Monkey so gut gelaunt, wie es ihm eben möglich ist. "Ich mach', was ich will." Ausufernd gute Laune hätte ihn kaum in die Arme des Labels mit dem bezeichnenden Namen Emopunkrap geführt. Dass er im dortigen Hausherren eine verwandte Seele gefunden hat, haben die beiden unlängst erst unter Beweis gestellt. Ins Inzestuöse muss die Beziehung deswegen offenbar nicht abgleiten.
Auch diesbezüglich pfeift Rotten Monkey auf Erwartungen: Wer auf ein Private Paul-Feature wartet, guckt genau so in die Röhre wie alle, die auf weitere Beats aus dessen Schmiede spekuliert haben. Als einziger Featuregast ist für "Alles Gesehen" der so unauffällige wie (zumindest mir) unbekannte Flipson geladen, für die Produktionen sorgt von vorne bis hinten Heilanstalt.
Der erfährt nicht nur als namentlich genannter Kollabo-Partner die verdiente Würdigung, sondern bekommt zudem eine Hommage mit seinem Namen zugedacht, in der Rotten Monkeys Zuneigung in der Feststellung gipfelt: "... und falls du dich fragst, warum den bis jetzt noch keiner kennt: In meiner subjektiven Sicht ist er der beste Produzent." Die Logik strauchelt da zwar etwas. Statt die überschaubare Popularität seines Produzenten zu erklären, macht die Qualität seiner Arbeit doch bloß noch unverständlicher, warum er nicht längst viel mehr Leuten ein Begriff ist.
Kann ja aber noch kommen: "Der Untergrund hat sich befreit und vernetzt", es spricht also Einiges dafür: "Unsere Zeit beginnt jetzt." Ganz alleine stehen die Herren eben doch nicht da: Das Gefühl, ständig irgendwie außen vor, ausgeschlossen, ausgegrenzt zu bleiben, kennen vermutlich erheblich mehr, als es offen zugeben. Hat man, damit wären wir wieder beim Tech N9ne-Zitat vom Anfang, die Position allerdings erst einmal akzeptiert und sich dort eingerichtet, feiert es sich im Abseits eigentlich ganz gut. Zunehmend verzweifelt zwar, aber doch auch befreit und entsprechend hemmungslos.
Die eigene Vergänglichkeit und die einer "Welt, die wie im Zeitraffer zerfällt", treiben Rotten Monkey um, die Vereinsamung und Isolation, die jeder in seiner Filterblase, seinem Kokon, spürt. "Alles, was ich weiß, wird Sand und rinnt durch meine Hände": Unsicherheit spiegelt sich darin, das Unvermögen, irgendjemandem außerhalb des allerengsten Kreises ("Heilanstalt", "Wenn Der Rest Stimmt") zu vertrauen. Wenn überhaupt.
"Keiner weiß, wer ich bin, noch nicht einmal ich": Aus Orientierungs- und Ratlosigkeit erwächst das Bedürfnis, sich ständig seiner selbst zu versichern. Dafür wiederum pult Rotten Monkey Schutzschicht um Schutzschicht ab, bis er zum Kern der Sache vordringt: "Was ich mache, ist echt", nahezu ungefiltert, ohne jede Schönfärberei.
Genau daraus beziehen seine Zeilen den großen Teil ihrer Wirkung. Dass er zudem noch ordentlich flowt, schadet ebenfalls nicht, eher schon, dass der Vortrag in der ersten Hälfte von "Drowning // Blue Pill" ein wenig monoton wirkt. Erst in "At The Edge" tritt Rotten Monkey aufs Gas. "Wenn Der Rest Stimmt" zeigt dann noch eine beinahe schon romantisch-melodische Facette. "Die Welt ist gut, mein Freund." Huch!?
Die Produktion setzt, obwohl komplett aus einer Hand, genauso wenig auf den immer gleichen Grundton. Die Beats unterstreichen vielmehr die wechselnden Gemütslagen. Konstant zieht sich eigentlich nur der unwirkliche Eindruck durch die Tracks, als sei man in Alice' wundersamen Kaninchenbau gestürzt, "das Gefühl, dass alles aus dem Ruder läuft". Das Klavier hat immer etwas Schlagseite. Samples, eine Akustikgitarre, ein groovy Basslauf und noch allerlei andere Details verfangen sich in den knisternden Geweben.
"Yogapants" entfaltet gespenstisch klimpernd schrägen Vibe. "Ordnung" wirkt, logo, strukturierter und setzt stärker auf elektronische Sounds und Synthieclaps. Die Endzeitstimmung von "Drowning // Blue Pill" wabert mit reichlich Hall durch die Weite, die in "Nichts Im Bauch" ("außer Hunger", nämlich) zudem noch einen asiatischen Anstrich verpasst bekommt: ein herbstlicher Zen-Garten.
Den wütenden Insektenschwarm schickt Heilanstalt durch "Alles Gesehen". Inmitten des unheilvoll summenden Gebrumms steht die trotzige Behauptung: "Uns ist alles egal, verdammt. Das hörst du doch." Zum Glück stimmt das nicht. Alles ist diesen "großen Jungs auf der Suche nach einem bisschen Glück" keineswegs egal. Die "Materialschlacht um Reichtum und Sex" aber schon. Macht nix: In der schlagen sich ohnehin schon viel zu viele andere.
3 Kommentare
jau. geile rezi von der yo mama wird gekauft. die kollabo mit paul hab ich auch nocht aus der liste!
Bester Mann
Geiles Teil