laut.de-Kritik
Mr. Buena Vista Social Club kehrt zu seinen Wurzeln zurück.
Review von Giuliano Benassi"There ain't no place like home" – eine Feststellung, die auch Ry Cooder offenbar gemacht hat. Nachdem er die Welt musikalisch bereist und sich in den letzten Jahren mit Latino-Sounds verschiedenen Ursprungs beschäftigt hat, kehrt er nun zu den Wurzeln seiner ersten Alben aus den 70er Jahren zurück: dem Folk und dem Bluegrass.
Aufhänger ist die Lebensgeschichte einer gewerkschaftlich engagierten Katze namens Buddy. Schon in der Entstehung des Albums vermischten sich Realität und Fiktion: Während der Aufnahmen zu "Chavez Ravine" (2005) habe er eine Postkarte des Bluesmannes Leadbelly erhalten, auf dessen Schultern das Haupt einer Katze thronte, erklärt Cooder. "Du wirst schon wissen, was damit zu tun ist", lautete die Botschaft auf der Rückseite.
Begleitet von der Flöte Paddy Maloneys (The Chieftains) und irisch anmutenden Klängen verlässt Buddy in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Heimat ("Just A Suitcase In My Hand") und lernt sogleich einen Reisegefährten, die Maus Lefty ("Cat And Mouse"), kennen. Sie geraten in einen Streik und erleben, wie brutal die Polizei gegen die Demonstranten vorgeht. Der Name des berüchtigten FBI-Chefs Edgar J. Hoover erinnert Buddy an ein Schwein mit dem gleichen Namen im Hof seiner Familie, das ihnen ständig alles weg fraß, inklusive eines frisch gebackenen Kirschkuschens.
Das fröhliche, freche "J. Edgar" entstand im Wohnzimmer der Folk-Legende Pete Seeger, der mit seinem Bruder Mike sang und die Banjos beisteuerte. Politische Barden wie Seeger, Woody Guthrie oder Joe Hill sind die Helden der Geschichte - engagierte Musiker, die mit drei Akkorden und der Wahrheit ("Three Chords And The Truth") das Unbehagen des einfachen Mannes in Worte fassen und nicht davor zurückschrecken, sich mit den Mächtigen anzulegen. Dass neben Seeger auch alte Haudegen wie Van Dyke Parks, der Schlagzeuger Jim Keltner, der Akkordeonist Flaco Jimenez oder der Banjospieler Roland White mit von der Partie sind, verleiht dem Album eine kaum verschleierte politische Botschaft.
Cooder wäre nicht er selbst, wenn er die Geschichte nicht mit allerlei musikalischen Exkursionen schmücken würde – TexMex-Einflüsse in "Footprints In the Snow", Pop-Soul-Gospel in "Sundown Town", Jazz in "Green Dog" und "One Cat, One Vote, One Beer". Abschnitte, die dem Album einen künstlerischen Mehrwert verleihen, den Hörgenuss aber schmälern. Auch wenn viele Namen und Melodien bekannt wirken, handelt es sich eben nicht um ein nostalgisches Folk-Werk, sondern um Cooders Interpretation eines historischen und musikalischen Abschnitts, der die Einwohner der USA stark geprägt hat.
"Democracy is in our hands, but it's slipping through our fingers just like sand" (Demokratie ist in unseren Händen, aber sie rinnt durch unsere Finger wie Sand), stellt Buddy in "One Cat, One Vote, One Beer" fest. Der Armut der Stadt entrinnt er schließlich durch die Rückkehr aufs Land, wo er wieder in eine bessere Zukunft blickt ("There's A Bright Side Somewhere"). Eine Botschaft, die Cooder auch musikalisch bekräftigt, denn das beste Material ist gerade das traditionelle Folkgut. Neben dem schon erwähnten "J. Edgar" heben sich das an die Carter Family erinnernde "The Dying Truck Driver", das melancholische "Hank Williams" und der an John Lee Hooker angelehnte Titeltrack hervor.
"My Name Is Buddy" bietet keine leichte Kost, weil es nicht um eine reine Anreihung von Stücken, sondern um ein Konzeptalbum handelt. Sich die Zeit und zu nehmen und in die Geschichte einzutauchen, ist aber ein lohnenswertes Unterfangen.
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