laut.de-Kritik
Roadmovie-Rock zwischen Springsteen und Smiths.
Review von Ingo ScheelRyan Adams kann man nicht vorwerfen, er lege die Hände in den Schoß. Das eigenwillige Taylor Swift-Coverprojekt "1989" ist keine zwei Jahre alt, aus 2014 datiert sein letztes Album mit originärem Material. Nach dem drogenbedingten Break zwischen "Easy Tiger" (2007) und "Ashes & Fire" (2011) scheint Adams den Weg zurück zum Jahresrhythmus zu finden.
Zu erzählen gibt es offenkundig genug, um die Dinge in Ryans World ist es auch heuer nicht eben harmonisch bestellt. Nach sechs Jahren hat sich Adams von Schauspielerin und Sängerin Mandy Moore getrennt. Am Ende stritten sie um die Verteilung der gemeinsamen Hunde und Katzen. Nun denn, "Cats And Dogs", das ewige Missverständnis von der Liebe und ihrem Hang zur Erosion, liefert das Stichwort, gleich der Opener stellt zu offenen Akkorden Marke Stadion-Breitbein die Frage aller Fragen: "Do you still love me?"
Musikalisch kommt "Prisoner" dabei wie die logische Fortführung vom selbstbetitelten Album von 2014 um die Ecke. Die allzu typischen Stilmittel sind bekannt: Das Schrumm-Schrumm der Barré-Griffe aus dem Schränkchen von Tom Petty, das angeraute Springsteen-Timbre zwischen blauer Stunde und schwarzer Nacht, die unablässig nagenden Liebeszweifel mit Cowboyhut und Jeansjacke.
Die Faust in der Tasche, wenn man quer durch den Raum die Ex mit dem Neuen am verräucherten Billardtisch stehen sieht, sie wieder mal zu laut lacht, während er am "Pabst Blue Ribbon" süppelt. Immer ein bisschen mehr auf der Roadmovie-Seite als im wirklichen Leben, aber so what. It's only Rock'n'Roll, und wir lieben es.
Noch einmal zu den stehenden Akkorden, die die eingeworfenen Zeilen dramatisch umschließen: In Peter Illmanns Welt würden dazu Schlagzeuger-Haare von Ventilatoren verweht, stünden Gitarristen mit Bandanas ums Handgelenk auf Felsvorsprüngen in der Mojave. Im Hause Adams, dort also, wo Pausbacken-Knuffigkeit und Deathmetal-Patches friedlich ko-existieren, wohnt dem am Schmockrock entlang tänzelnden Riff-Drama tatsächlich eine nicht zu verleugnende Authentizität inne.
Zu "Prisoner" und dem spooky verhangenen "We Disappear" lässt es sich prima Air-Schellenring spielen, "Haunted House" bringt einen auf den Gedanken, mal wieder "Tunnel Of Love" aus dem Regal zu ziehen, und "Anything I Say To You Now", ein absoluter Höhepunkt auf einem durchweg starken Album, lässt erahnen, wie gut der polymusiglotte Johnny Marr selbst bei der E-Street-Band aufgehoben wäre. Diese Gitarren-Kaskaden sind dermaßen Marke Manchester, es scheint, als sei beim Handschlag - "OMG, I just shook Johnny Marr's hand", hatte Adams im Juli 2015 getwittert - etwas übergesprungen.
Es bleibt dabei: Happiness is a warm gun und Liebeskummer eine verwehte Mundharmonika. Als Hörer gilt es, sich zwischen drei Möglichkeiten zu entscheiden. Die, die ihn schon immer schätzten, greifen eh zu. Die chronischen Achselzucker intolerieren wie gewohnt, und jene Stichproben-Hörer, die einzelne Songs schätzten, sich dem Backkatalog-Koloss bislang jedoch verweigerten, decken sich nun endlich mit dem Gesamtwerk ein. Tolle Platte. Bis nächstes Jahr dann, Ryan.
4 Kommentare mit einer Antwort
setzt "Ryan Adams" nahtlos fort und gefällt mir damit vom Sound sehr sehr gut. Wenn es noch ähnlich lange funkt bin ich äußerst zufrieden.
Kann nur zustimmen
ganz ehrlich... ich fand das richtig scheisse! keine meiner erwartungen wurden erfüllt- echt nicht. es liest sich geil! die tracktitel... die bewertungen... aber es zündet bei mir einfach nicht! nein! scheisse!
Atmosphärisch, mitreißend, hypnotisch - nur die Drums klingen mir etwas zu gekünzelt.
Nach summer of '69 und everything I do kam von dem doch auch nichts gutes mehr!