laut.de-Kritik
Alles relativ scheiße ... aber sympathisch.
Review von Timm LechlerDie spätpupertären Spandauer SDP "sind leider wieder da wie ihr Herpes". Und "leider" triffts ganz gut. "Wieder da" aber auch. Die bekannteste unbekannte Band der Welt erzählt uns "Die Unendlichste Geschichte" und steigt dafür herab, um sich mit den wirklich großen Themen des Lebens zu beschäftigen: Kapitalismus, Egoismus, Tierquälerei und menschliche Dummheit.
Bisher hatten die beiden Spaßkanonen noch mit nischigeren Themen geglänzt, so gings um Schulhof-Raufbolde, Besserwisser und Smartphone-Süchtige. Das hatte doch irgendwie mehr Stil als die Allgemeinheit der neuen Platte. Denn nun werden die ernsten Themen in ein allzu spaßiges Korsett gezwängt, sodass der fette Kitsch hier und da herauszuquillen droht.
(Liebes-)Songs wie "Unikat" oder "Ohne Dich" erzeugen mit Lines à la "Dass du wunderschön bist, kannst du nicht im Spiegel sehen, denn du bist ein Unikat" oder "alles Geld der Welt ist nur Papier, das zerfällt" leichten Fremdscham. Den beiden Allround-Musikern steht der Rock-Pop-Ballermann-Sound einfach besser zu Gesicht als die ernsten Nummern. Bloß der letzte Song "Alles Hat Ein Ende" lässt einen fast rührselig zurück. Aber der bleibt mit "Wenn das Klavier so traurig klingt, weißt du was jetzt geschieht / Dieser Song ist unser letztes Lied" wenigstens selbstreflexiv.
Das zeigt auch "Das Lied" feat. Bela B.: "Das ist der Refrain, ich singe irgendeinen Dreck/ doch das ist egal, denn keiner achtet auf den Text". "Und fehlt noch Text wiederhol' ich irgendwas / irgendwas / irgendwas". Obendrauf gibts noch die witzige Verwechslung mit Kraftklub seitens Bela B.
Mit "Jung, Dumm & Pleite" recyceln SDP ihren Hit "Tanz Aus Der Reihe" und singen eine Ode auf die Vergangenheit. Auch "501" mit Teesy und Nico Santos beschäftigt sich mit alten Zeiten: "Sie sagt ich wär so Oldschool, ich weiß nicht mal was das heißt / Die Bärte werden länger, die Hosen enger, doch ich trag immer noch 501". Eine Liebeserklärung an den Klassiker von Levi's und Gameboys. Als Kind der Neunziger kann man diesen Hit feiern. Nico Santos besorgt mal wieder den catchy Refrain.
Das Plädoyer gegen die Vorurteile "Gleich Gleich Gleich" sorgt dann mit Zeilen wie "die einen sind Idioten, die andern sind Vollidioten" oder "Komm wir machen es uns einfach man, wir glauben alle an den Weihnachtsmann" erneut für Stirnrunzeln. Irgendwie trotzdem ein verflixter Ohrwurm. Mit "Was Man Hat Das Hat Man" sagen SDP dem Egoismus und Kapitalismus dann auf ironische Weise den Kampf an: "Was ich hab, geb ich nie wieder her!" Stilistische Inspirationsquelle scheinen hier Seeed zu sein.
"Viva La Dealer" mit Capital Bra klingt dann irgendwie erstaunlich ähnlich wie der Sommerhit Señorita von Kay One und Pietro Lombardi auf Capital Bras Steroiden. Dazu das obligatorische "Lelele" vom Bratan und fertig ist der Partysong für den Strand. Ob SDP der Musikindustrie hier nun den Spiegel vorhalten wollen, oder das wirklich ihr Ernst ist, kann man irgendwie nicht richtig nachvollziehen. Doch zum Glück ist bei den beiden Nicht-Berlinern quasi nie etwas ernst gemeint. Aber was sucht so etwas dann auf einem Album? Da beißt sich die Sarkasmus-Schlange gehörig in den Allerwertesten.
Zugutehalten muss man Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin, dass der Versuch eines 18-Song-Konzeptalbums zu Zeiten von Streaming-Anbietern und dem musikalischen Output eines Capital Bras lobenswert bleibt. Und das trotz des musikalischen Potpourris aus überwiegend rockigen Beats, die irgendwie doch zu oft nach Plastik klingen, klassischen Klavierballaden und Seeed-Reggae. Das Ganze gepaart mit wortwitzig satirischem Rap und durchaus lyrischer Finesse ergibt eine große, poetische Party, die zwischenzeitlich jedoch auch zuviel Ironie des Guten aufweißt.
Insgesamt klingt das halt doch alles wieder nach einer Kopie der letzten Platte, die eine Kopie der vorletzten Platte war. Auch die quietschbunten und überladenen Cover sind irgendwie immergleich. Alles in allem erscheint das schon relativ scheiße, aber irgendwie trotzdem verdammt sympathisch. "Doch zum Glück rast die Zeit wie verrückt/ ein paar Mal schlafen, und wir sind zurück." Bis bald SDP!
9 Kommentare mit 9 Antworten
Hört sich wirklich an, wie die Mutter von Wackness.
Schmutz, Lechler raus.
Musik für Olivander und den Toriyamafan, ergo 1/5.
Swissfag bounced zu diesem Sound in Züri im Glubb!
In Züri swaggt man zu SDP als wäre es Ushers "Yeah!".
Ich hör so einen Quatsch doch nicht
was du hörst haben ja wohl noch immer andere zu bestimmen!
Ich sehe mich nicht als Hater und ging neutral an die Musik heran... und für 3 von 5 ist das neue Album echt mehr schlecht als recht. Viele Ideen verpuffen dank billiger Produktionen.
Das Album kann meist nur gefeiert werden, wenn man selbst den Sinn des Textes versteht. Ich danke SDP für dieses wirklich gute Album.
SDP sind einfach maximal unspießig und maximal Leben, Gold wiegen, reime zählen und und irgendwas analysieren hilft hier leider nicht. Ist wirklich nur was für Menschen mit Humor und solche die nicht nur im Büro sitzen und Kritiken schreiben. Wenn das eigene Leben ungefähr das wiederspiegelt, was SDP leben und in Ihren Liedern verfassen, muss man schmunzeln und denkt sich: Lass die Erbsenzähler Erbsen zählen.