laut.de-Kritik
Endlich Endorphine oder Untergang? (mit DJ Bobo)
Review von Hardy FunkSaalschutz oder Nichtsnutz? Das scheint die ewige Frage, die uns die antike Säule des Plattencovers stellen will. Antwort: Die neuen Saalschutz sind politischer, aufgewühlter und widerspruchsgeplagter denn je. Antwort: Die neuen Saalschutz klingen einverstandener, gelassener und ihrer Sache sicherer denn je. Und als wär das nicht verwirrend genug, muss auch noch geklärt werden, was um Himmels Willen DJ Bobo auf der neuen Platte zu suchen hat.
Der Eurodance-Altstar, hinüber gerettet aus der Spaßgesellschaft der 1990er in ein mehr oder weniger respektables B-Promi-Dasein, kündigt aber nur in schönstem Schwizerdütsch und mit augenzwinkernder Szenesprache Band und Album an. Ein sympathisches Shake Hands unter Schweizern und auch ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl.
Denn: Beim ersten Song, dem hitgerecht ravenden "Und Alle So Yeah", kommt die Hand in der Luft auf einmal ins Stocken. Was singt man denn da mit, während man zum geraden Rhythmus des funktionalen Elektropunk-Bretts abgeht, bei diesem "Ich schreibe, ich bin immer bereit/ Bis zur absoluten Handlungsunfähigkeit"? Und wie ist das gemeint im Refrain, dieses "Und alle so yeah!/ Und alle wollen wissen, gibt es davon noch mehr/ Die Welt versinkt in Euphorie/ Wenn wir um die Häuser zieh'n"? Endlich Endorphine oder Untergang der Erde?
Nichts mehr mit "Ravepunk Für Eine Bessere Welt", oder wie? Doch, schon noch. DJ Flumroc und MT Dancefloor zelebrieren auch auf Album Nummer vier Rave in Punk-Manier auf solidem Niveau. Das Duo kennt die Kniffe aus dem Effeff und lebt nach wie vor gerne in der Audiolith-WG. Zwar scheint sich nach zwölf Jahren Feierei etwas Routine in die stets ziemlich gleiche Arbeitsweise eingeschlichen zu haben: Die ganz billigen Synthies sind wohl in der Rümpelkammer verschwunden und die Extraportion Abgedrehtheit scheint fürs erste beiseite gelegt.
"Für Eine Sekunde Unendlich" überzeugt zwar mit dem überraschend Charts-affinen Gesang von Elektra Polytone, auch mit zitternden und pluckernden Synthie- und Bass-Sounds, bleibt ansonsten aber etwas arg brav in der Spur. Die klaren, wabernden Flächen des zurückgelehnten "Das, Was Uns Kaputt Macht" hat so ähnlich schon vor zehn Jahren Fischerspooner moduliert. "Während Du Feierst, Stirbt Dein Volk" mit Egotronic-Mastermind Torsun himself am Mikro beginnt zwar einigermaßen verrückt, mündet aber in einen recht drögen NDW-Abklatsch.
Dafür wollen die Texte um so mehr: Von politisch unterbauter Zeitgeistanalyse ("Und Alle So Yeah", "Das, Was Uns Kaputt Macht") über Zynismus-Kritik ("Alles Geht In Flammen Auf") bis hin zu Anflügen von Resignation ("Okay", "Was Saalschutz Tun Muss"). Einfach nur Feiern und dazu ein paar griffige Parolen oder Unsinnigkeiten grölen war gestern.
Dabei kommen Saalschutz manchmal beinahe zu ernst und direkt daher. Eine Zeile weniger hier und ein Chiffre mehr dort hätten dem ein oder anderen Song gut getan. Das Liebeslied "Die Von Freddie Mercury" mit seinem Ärzte-Humor und den Country-Ausflug "Hey Mr. Lehrer", tatsächlich mit echter Gitarre und ganz ohne Beat, hätte das Album wohl nicht unbedingt gebraucht.
Die Absage an stumpfen 'raus aus der Gesellschaft rein in die Party'-Eskapismus steht den Zürcher Techno-Punk-Veteranen trotzdem gut. Denn was bleibt den Füchsen von Saalschutz - die diese Message, wenn auch weniger deutlich, natürlich schon immer in ihrer Musik transportiert haben - schon anderes übrig, als zu "tun, was Saalschutz tun muss/ Immer einen Schritt hinter Sysiphos"? DJ Flumroc und MT Dancefloor feiern ihre Widersprüche, statt im Zynismus zu enden, ob's viel nützt oder alles nichts nutzt.
Noch keine Kommentare