laut.de-Kritik
Atmosphäre und stimmige Sprachbilder statt ausgefeilte Technik.
Review von Laura Sprenger"Werd' als Künstler lieber unterschätzt als vergessen", sagt Sadi Gent über sich selbst. Tatsächlich fliegt der Berliner größtenteils unterhalb des Radars der allgemeinen Aufmerksamkeit. Mit seinem 2013 erschienenen Debütalbum "Bis Dato" und als Support von Mach One, RAF Camora und Alligatoah, um nur die Bekanntesten zu nennen, erspielte er sich eine kleine, treue Fangemeinde. Eigenen Aussagen zufolge bedeutet ihm diese mehr "als 100.000 sprunghafte Fastfoodkonsumenten, die ihre Hingabe zu einzelnen Künstlern wechseln wie wir unsere Unterwäsche."
Goldgrüne Hoffnungsschimmer durchziehen eine "Mintgraue Welt", in der fast alles über stimmige Atmosphäre und Sprachbilder anstelle von ausgefeilter Technik oder besonders raffinierter Lyrics funktioniert. "Der Letzte seiner Art" behandelt aus der Ego-Perspektive kleine Themen, die trotzdem nur schwer in ein bis zwei Sätzen zu fassen sind. Stattdessen regen sie hin und wieder, und ohne erhobenen Zeigefinger, zum Nach- und Weiterdenken an. Klingt nach dem "Tagebuch eines Mittzwanziger-Peter Pans?" Findet der Autor des Pressetextes auch. Wirksamer kann man wohl kaum jemanden davon abhalten, sich "Mintgold" anzuhören. Setzen, sechs!
Tarek von K.I.Z. findet passendere Worte: "Das ist unkitschige, tröstende Musik, die einem durch schwere Zeiten helfen kann." Vollkommen von Kitsch befreit gestaltet sich das Album dann aber auch nicht. Vereinzelte Refrains und Lines wie "Die Welt ist schön, wenn du sie genauso malst, wie du sie magst" und ein Hang zur YOLO-Mentalität wecken eher semi-gute Assoziationen zu Sierra Kidd und Konsorten. Dem Gesamteindruck schadet das aber weniger, denn Sadi Gent wirkt bei alldem weder anbiedernd, noch gekünstelt oder allzu aufdringlich.
Angenehm unaufdringlich gestaltet sich auch das Soundbild von "Mintgold", das in Zusammenarbeit mit Konrad Janz und Yaniçar entstand. Filigrane Drum-Kompositionen und andere Spielereien durchziehen breite, sphärische Flächen, ohne vom Wesentlichen abzulenken. Gekonnt schwimmt er dabei im Wechselbad der Gefühle, zwischen Unbeschwertheit und Schwermut, mintgrünen Luftschlössern und knallharter Selbstreflexion, antreibenden und drückend schmerzenden Elementen.
Die "Flucht vor dem Alltag", wie sie auf "Startups" beschrieben wird, gelingt eben nur solange, bis zwischenmenschliche Probleme ("Minusmann"), Verluste ("Zwilling") und die Beklemmung des tristen Alltags ("Mayday") einen unbarmherzig einholen. Dabei präsentiert sich Sadi Gent zwar selten als "Wasserfall der guten Laune" (O-Ton Alligatoah), sondern taucht mit Bedacht "inmitten von Fischen nach wertvollen Augenblicken", stets den "mintgrünen Punkt auf dem Radar", der das Hinabsinken ins "Haifischbecken" verhindert.
Der stimmige Gesamteindruck von "Mintgold" ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass auf vierzehn Tracks lediglich zwei Feature-Gäste vorbeischauen. Zusammen mit seinen Bombenprodukt-Kollegen Herzog und PTK widmet sich Sadi Gent dem deutschen Gegenwartskünstler Jonathan Meese und dessen Motto "Machen, machen, machen", was als Refrain besonders lange im Ohr bleibt. Auch wenn "Mintgold" keine richtigen Hits aufweist und weit davon entfernt ist, das Rad neu zu erfinden, hat man es mit dem atmosphärisch dichten und nicht-konzeptionellen Werk eines Künstlers zu tun, dem sein Schaffen hörbar am Herzen liegt.
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musik für erstsemestler