laut.de-Kritik

Echter Soul-Scotch statt gepanschter R'n'B-Cocktails.

Review von

Kein einfacher Weg, inmitten all des vorlaut angepriesenen Musik-Gewirrs unserer Tage, jene weiblichen Stimmen zu finden, die wirklich nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Es sei denn, die Protagonistin verfügt über etwas wirklich ganz Besonderes, und vor allem etwas Eigenes. Und damit hat Saint Lu gleich zwei Vorzüge auf ihrer Seite.

Rüdes Schlagzeug, bratzende Gitarren, und dazu eine rabenschwarze Soul- und Rock-Stimme: mit "Don't Miss Your Own Life" gelingt ein höchst geglückter Auftakt. Der autobiographische Song bedeutet eine Aufforderung an sich selbst, aber auch an den Zuhörer. Lu verpackt das nicht in halbseidenen Schönglanz, denn sie weiß bereits in jungen Jahren, was da draußen abgeht. Wie wichtig das Vertrauen auf eigene Stärken und der Umgang mit Schwächen ist.

Straight und geradeaus fährt der "Rockstar Car" über den Soul-Highway. In der Instrumentierung klar und transparent strukturiert, steht Lus Organ hier hautnah im Vordergrund. Ein "Love Song" bedeutet bei der Österreicherin keine verklebt-süßliche Angelegenheit, sondern macht mächtig Dampf inklusive effektivem Begleitchor. Der "Ankle-Biter" tappt zunächst auf katzenhaften Zehenspitzen und gefällt neben seinem abwechslungsreichen Arrangement besonders mit Saint Lus deeper Stimm-Arbeit.

Erst auf Track fünf, "Here I Stand", kommt sie etwas zur Ruhe, aber nicht zum Stillstand. Die Ballade überzeugt mit ihrer Unaufdringlichkeit und der im Text behandelten Selbstreflexion. "What Is That Love?" gestattet sich dezente Bläser, Akzente setzende Orgel-Arbeit und stellt Saint Lu in ein glaubwürdiges New Orleans-Umfeld. "Memory" erfreut als eine weitere unkitschig inszenierte Ballade. Mit einem musikalisch bewusst konträr zum Rest des Albums gesetzten Song entlässt uns Saint Lu: "Mr. Blow" gefällt als lupenreine Sixties-Pop-Nummer mit Einladung zum Fingerschnippen, mitsamt höchst geglückter, die Beatles zitierender Songführung.

Gerade für eine Debütantin lesen sich Produktionsprozess und Beteiligte sehr erlesen. Als Mitproduzent fungiert Peter Weihe (Eric Clapton, Chaka Khan), Christian Lohr (Joss Stone) trägt die Keyboards bei, Steve Sidwell (Pet Shop Boys, Robbie Williams) zeichnet für Streicher und Bläser verantwortlich. Die Endbearbeitung fand in den legendären Londoner Abbey Road-Studios statt. Keine Frage: "Saint Lu" steht nicht für gelackte Szene-Schuppen mit gepanschten Drinks, sondern für den rauchigen Kellerclub downtown.

Das besonders Erfreuliche an Saint Lus Debüt: sie lässt sich als Newcomerin nicht von vornherein in irgendein beliebiges, vermeintlich erfolgversprechendes Klischee-Kostüm stecken. Die erfahrenen Mitmusiker und Studio-Hasen fahren keine abgenudelten Arrangements auf. Dank Lus Stimme bekommt das Ganze einen authentischen und glaubwürdigen, rüden und erdig-bodenständigen Touch. Mit viel Vitalität und Power ausgestattet, gelingen ihr elf Songs, die nicht nur den Bauch, sondern auch das Hirn ansprechen.

Sie präsentiert nicht nur auf Platte eine erfrischende Klasse: Live fegt da ein attraktives Energiebündel herum, das es erfreulicherweise nicht nötig hat, seine optischen Vorzüge übertrieben zur Schau stellen zu müssen. Klasse und Können haben eben echte Sexyness zu bieten. Keine Spur von Hochglanz, dafür liebenswerte Ruppigkeit, und jede Menge Energie. Saint Lu verfügt über einen rauen Charme mit Herz und Seele.

Trackliste

  1. 1. Don't Miss Your Own Life
  2. 2. Rockstar Car
  3. 3. Love Song
  4. 4. Ankle-Biter
  5. 5. Here I Stand
  6. 6. What Is That Love?
  7. 7. All That I Ever Wanted
  8. 8. All In One (Multifunctional Mum)
  9. 9. I Say Yeah, You Say No
  10. 10. Memory
  11. 11. Mister Blow

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LAUT.DE-PORTRÄT Saint Lu

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19 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Doch, sie hat sogar was sehr eigenes. Lediglich ein gewisser Stimmbereich ist ähnlich zu den o.g. Damen - der Rest der Mucke und ihre Art zu singen sind sehr eigen und eingängig dazu.

    Sie ist... keine Ahnung, _sehr_ jung. Mit diesem Debut wird sie international Anerkennung bekommen und, wenn nichts unvorhersehbares kommt, noch ewig gute Rock/Songwriter-Platten aufnehmen - so meine Progrnose.

  • Vor 15 Jahren

    Also so wie die Musik in Videos & Co. präsentiert wird, soll sie ganz klar die urbanen Mittdreissiger ansprechen, die zwar volle Kanne an der Pop-Nadel hängen, aber gerne auch mal "echte" und "erdige" Mucke hören wollen. Da reichen ein paar kopfnickende metrosexuelle Gitarrenspieler, die verschwommen im Hintergrund vor ihren coolen Verstärkern herumdaddeln. Mit Instrumenten und so.
    Ebenso kleinbürgerlich die Stimme. Wie andere hier schon treffend bemerkt haben, hat man sie irgendwo schonmal gehört. Im Grunde der Bereich, der von Duffy, Amy Winehouse und den übrigen Pseudo-Retros ausgefüllt wird. Das melismen- und vibratoverseuchte Soulgejaule, gewürzt mit ner Prise Kratzigkeit. Beyoncé gepaart mit Bon Jovi.

    Zu geil sowas.

  • Vor 15 Jahren

    Ach Du Scheiße, was quatscht Ragism denn da..