laut.de-Kritik

Alles eine Frage der Leidenschaft.

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Frohnaturen haben im Deutschrap noch immer Seltenheitswert. Wenigen gelingt es, ein sonniges Gemüt mit Ecken und Kanten zu kombinieren. Sam Sillah erklärte im Vorfeld der "Mosaik EP" zwar, dass er "polarisierende Punkte" vermeiden wolle, doch glücklicherweise beginnt diese nicht gänzlich haltungslos: "Leider wahr, doch ist Fakt, dass wir lieber mit den Landsleuten chillen, statt in Unterschieden endlich die Antwort zu sehen." So liefert der passionierte Rapper zum Einstieg seiner mit positiven Botschaften gesättigten zweiten EP ein entspanntes Plädoyer für mehr Diversität.

"Die Zeit steht still, wenn ich da oben bin", beschreibt Sam Sillah die Freuden des Bühnenauftritts in "Hoch & Weit". Stets betont der Düsseldorfer, dass seine Triebfeder nicht monetärer Natur ist. In Abgrenzung zu vielen im selben Marktsegment agierenden Kollegen tritt er als Überzeugungstäter in Erscheinung: "Ihr spielt nur irgendwelche Movies ab. Immer jagen sie die Scheine, dabei scheinen sie nicht zu merken, was sie gerade machen, tötet unsere Jugend." Er appelliert an den Hörer, sich von den eigenen Passionen anspornen zu lassen: "Eigentlich ist alles nur 'ne Frage deiner Leidenschaft."

"Du bist verloren, wenn du nur noch das Geld siehst", gibt er auch in "Fake" zu Bedenken. Aber worum soll es sonst gehen, wenn es an Persönlichkeit mangelt? "Innerlich grau, doch das Outfit muss glänzen." Mit seiner Gegenrede zu den oft propagierten Charakterzügen Gier, Künstlichkeit und Modeabhängigkeit beackert er ein ähnliches thematisches Feld wie PTK auf "Kein Mensch Ist Digital". Doch anstelle des Kreuzberger Kellersounds herrscht bei Sillah ein wolkenfreier Himmel. Mit Mut zum melodischen Gesang beschreitet er in "Fake" ein warmes Reggae-Instrumental von ILLthinker.

Der Kölner Produzent leistet auf der "Mosaik EP" ohnehin ganze Arbeit: Ob er nun für "Mach Dir Keine Sorgen" im Alleingang ein radiotaugliches Instrumental schneidert oder den Hörer zusammen mit Mosenu in einen minimalistischen, elektronischen Sog hineinzieht ("Ruhe Vor Dem Sturm"). "Wolken" schwebt zunächst in luftiger Höhe, bevor die Sonne aufgeht und das Instrumental warm erstrahlen lässt. Als absolut sommertauglich erweisen sich auch "Vergessen Wie Man Lebt" und "Du Brauchst Mich Nicht Verstehen", dessen oldschooliger Beat an R'n'B und G-Funk schnuppert.

In Zusammenarbeit mit Epik verpasst ILLthinker mit einem eingängigen Streicher-Loop auch dem "Sheriff" eine angenehme musikalische Grundlage. Textlich vergaloppiert sich Sillah dagegen ein wenig. So fällt es schwer, sich den unverbesserlichen Optimisten als metaphorische Ordnungsmacht vorzustellen, die in der Szene nach dem Rechten sieht: "Hier räum' ich Rapper aus dem Weg. Rasier' das Spiel und bin der Chief." Obgleich vor allem die zweite Strophe auch technisch überzeugt, stellt der Beitrag wohl eher ein Zugeständnis des Rappers an die eigene Hip-Hop-Sozialisation dar.

Da entspringt das animierende "Wolken" schon eher seinem Herzen: "Lass sie wissen, dass du lebst. Denn es sind riesengroße Schritte, die du gehst mit den richtigen Ideen." Sillah liefert damit eine Motivationshymne ohne boss'sche Übermenschenlyrik, deren Hang zur überzuckerten Naivität auch dem Protagonisten selbst auffällt: "Auch wenn es fast schon zu kitschig klingt, doch Tage sind wie Wolken. Auch wenn es dunkel ist, zieht alles mal vorbei." Augenfällig bleibt aber wie sehr er mit sich selbst im Reinen zu sein scheint und wie selten dies im Rap-Kontext überhaupt vorkommt.

"Kein Berg ist zu hoch, kein Weg ist zu weit", schlägt "Ruhe Vor Dem Sturm" in eine ähnliche Kerbe. Gemeinsam mit Cr7z inszeniert er sich als malochender Idealist. Während sein Labelboss seine allseits bekannten technischen Fähigkeiten vorführt, übernimmt Sillah die gefühlsbetonten Komponenten. "Sam, sing' die Hook! Ich weiß, du tust es aus Liebe", vermittelt Cr7z glaubhaft das Hauptkriterium beim Arjuna-Vorstellungsgespräch. Mit der gelungenen "Mosaik EP" erreichen sie zusammen eine weitere Etappe: "Sei nur offen für alles, Mann, und die Reise beginnt."

Trackliste

  1. 1. Mosaik (mit Steve Jackson)
  2. 2. Vergessen Wie Man Lebt
  3. 3. Mach Dir Keine Sorgen (mit Benny Can)
  4. 4. Fake
  5. 5. Du Brauchst Mich Nicht Verstehen (mit Lativ und Tsega)
  6. 6. Sheriff
  7. 7. Wolken
  8. 8. Ruhe Vor Dem Sturm (mit Cr7z)
  9. 9. Hoch & Weit

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