laut.de-Kritik
Zuhause zwischen Tribe und Trap.
Review von Anastasia HartleibEs hat sich viel getan bei Sampa The Great. Während viele von uns im Lockdown eher auf der faulen Haut lagen, um mal ordentlich durchzuschnaufen, nutzte die Rapperin den Shutdown, um zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Sie verließ ihre bisherige Wahlheimat Australien um in das Land zurückzukehren, in dem sie geboren wurde: Sambia.
Dort hat sie sich während der letzten Jahre nicht nur sich selbst gefunden, wie sie sagt, sondern musste auch erst mal ein Umfeld für sich schaffen und finden, in dem sie als Musikerin funktionieren konnte. Das Ergebnis: "As Above, So Below".
Das zweite Studioalbum von Sampa The Great überrascht mit elf spannenden Songs, die irgendwo zwischen Tribe und Trap zuhause sind. Waren wir bisher vor allem organisch warme Produktionen von der afrikanischen Weltenbürgerin gewöhnt, finden sich auf "As Above, So Below" deutlich mehr synthetische Sounds und wobbelnde Trap-Bässe. Dazu kommen stringent eingeflochtene Versatzstücke sambischer Musikkultur - genauer gesagt, finden sich viele Elemente des Zamrock, einer Spielart des Psychedelic Rock, der in den Siebzigern in Sambia entstanden ist.
Die beiden Stilrichtungen harmonieren überraschend gut und erzeugen eine interessante Spannung zwischen düsteren Clubsounds, süßer Melancholie, schmiegsamen Gitarren und glorreicher, choraler Weite. Dass dies im ersten Moment schwer vorstellbar klingt, ist durchaus richtig. Die Stücke auf "As Above, So Below" machen einen ziemlich fragmentierten Eindruck. Auf ein paar Takte sanft träumerischem Geklimper folgen harte Bässe, in die sich erneut weichere Bläser einreihen, wie beispielsweise auf dem Opener "Shadows". Oder "Mask On", dass eigentlich aus vier Teilen besteht - und es trotzdem irgendwie schafft, einen Ohrwurm zu generieren.
Dabei muss definitiv betont werden, dass die Soundstruktur des Albums unter der Bruchstückhaftigkeit der Songs keinesfalls leidet. Die Übergänge wirken fließend und harmonisch, die Fragmentierung verleiht den Songs eine lebhafte Dynamik, die hervorragend funktioniert.
Dazu gesellen sich Sampas eigenwillig melodiöse Rhythmik und ihr vielseitiger Stimmeinsatz. Von tief grollend bis zuckersüß näselnd bedient die Rapperin die volle vokale Bandbreite und bewegt sich spielerisch durch die Beats. Sie wirkt dabei so im Einklang mit dem Klangbild, dass man sich fast fragt, warum die Featuregäste überhaupt sein mussten. Neben den US-Größen Denzel Curry und Joey Bada$$ sind auch der Brite Kojey Radical, die beninische Songwriterin Angélique Kidjo und die sambischen Künstler Chef 187, Tio Nason, James Sakala und die Zamrock Band Witch vertreten. Und ganz nebenbei schleicht sich auch Sampas Schwester Mwanje auf zwei der Songs.
Während die familiären Verbandelungen und Connections in der neuen Heimat durchaus Sinn ergeben und den Charakter des Albums unterstreichen, wirken die Übersee-Kollabos leider eher nach liebloser Pflichtverantstaltung. Bei Kojey Radicals Part in "IDGAF" klingt selbst die Produktion etwas stark in den Song hineingequetscht, was den Hörgenuss schmälert.
Inhaltlich kommt "As Above, So Below" recht persönlich. Sampa arbeitet sich an den Eindrücken der Zeit seit ihrem Debüt ab. Sie gibt Innenansichten wie in "Shadows" preis, kritisiert die Musikindustrie und das unstillbare Verlangen und rücksichtslose Anspruchsdenken der Öffentlichkeit. "Mask On" und "Can I Live" zeigen sich dahingehend als besonders eindrücklich. Allerdings: Während Sampa sich auf ihrem Zweitling unheimlich musikalisch zeigt, bleibt der inhaltliche Teil etwas auf der Strecke. Zwar zeigt sich die Rapperin deutlicher als bisher und geht sogar auf das "Imposter Syndrome" ein, das sie während ihrer Zeit in Australien konstant spürte, so richtig tief gehen ihre Texte allerdings nicht - auch nicht auf lyrischer Ebene.
Nichtsdestotrotz ist "As Above, So Below" zu empfehlen. Allein die spannende Mischung aus Trap und Zamrock hinterlässt - zumindest für hiesige Hörgewohnheiten - einen originellen Eindruck, den man so noch nicht unbedingt kennt. Wer tiefer in die Musikkultur des weitläufigen afrikanischen Kontinents einsteigen will, findet bei Sampa The Great auf jeden Fall einen zeitgemäßen Einstieg.
2 Kommentare
Super Album, find ich ihren bisher besten Output, der harte elektronische Einschlag steht ihr ziemlich gut. Features sind tatsächlich alle ein bißchen egal.
4/5 geht voll klar.
Der Vorgänger war mit 3/5 hier strenger bewertet, aber trotz seiner Chilligkeit für mich das bessere Album. Hier jetzt find ich alles so nach ner fixen Masche erzwungen, "Mask In" mit Badass am komplexesten. Dem Review-Inhalt stimm ich zu, jedoch mit der Schlussfolgerung 2.5/5