laut.de-Kritik

Famose Finnen feiern feine Festivitäten.

Review von

Er ist ein Klassiker in der Party-Chronologie: Der Augenblick, wenn sich die schüchterne Abtastphase dem Ende zuneigt, flirtende Blicke suchend durch den Raum streifen und der Promille-Anteil hoch genug ist, um verhalten Richtung Dancefloor zu wippen. Passend zur langsam auftauenden Atmosphäre, serviert der DJ leichte Indie-Kost. Sollte es jemals einen Soundtrack für diese Situation geben, dann haben Satellite Stories auf "Vagabonds" einiges an tanzbaren Unverbindlichkeiten zusammengetragen.

Mit großen Kulleraugen und der einen oder anderen Zahnlücke träumten die blonden Lausbuben aus Oulo, Finnland in den Videos zu "Scandinavian Girls" und "Kids Aren`t Safe In The Metro" 2013 unbekümmert vom großen Wurf. Zwei Jahre und zahlreiche Tour-Anekdoten später, zeichnen sich die ersten Bartstoppeln ab, der Parka sitzt stabil auf den breiteren Schultern und die jugendliche Unbeschwertheit von damals ist einer nachdenklichen Miene gewichen.

Geradliniger Hauruck-Indie trennte sie auf "Pine Tails" noch vom sorgsam durcharrangierten Synthie-Pop ihrer großen Brüder von Two Door Cinema Club. Wer könnte aber besser Bescheid wissen, was zur Reifeprüfung gehört als die prominente Verwandtschaft? Dankbar für die Orientierungshilfe inmitten der Selbstfindungsphase, nehmen die Skandinavier den Elektro-Kram mit rein und schalten einen Gang runter. Der Titeltrack macht vor, wie dynamisch das trotzdem klingen kann. Wenn man dann noch wie in "Heartbeat" ordentlich Delay auf die Singlenotes ballert, darf man sogar verpasste Geständnisse besingen und unterkühlt feststellen: "Can't feel heartbeat, if I never get a chance to say I miss you, if I never get a chance I still do.".

Bedenkenlos verträglich, zwischendurch sogar ganz nett, aber gegen Ende will der Herzschlag dann tatsächlich aussetzen, so oft wie sich der schnöde Satz wiederholt. Wesentlich zackiger bringen die Jungspunde den gekünstelten Brit-Akzent in "Polarized" aufs Tanz-Parkett. Dezente Zurückhaltung in der Strophe, dann strotzt der Chorus nur so vor eingängiger Wohlfühl-Melodie. Die Mischung spricht auch in "When Love Became" oder "Round And Round" für ein stimmiges Patentrezept. Große Stärke von Frontman Esa Mankinen sind ohne Zweifel die sukzessiven Ausflüge in die Kopfstimme. Unangestrengt lässt er einzelne Hooks erklingen.

Spätestens das fröhlich pfeifende "Campus" holt dann auch den faulsten Akademiker aus der Koje. Dank Hip Hop-Beats und Folk-Akustik bekommt der Start in den Tag ungeahnte Flügel. Im Grunde nimmt der Titel sie ja eigentlich schon vorweg, die Hommage an die Freiheiten des Studentenlebens. Zusammen mit der Blaskapelle verbreitet "The Trap" noch mehr gute Laune. Nie penetrant und immer mit einem Blick für die Vergänglichkeit des besonderen Moments, mümmeln sich die Finnen in wohlige Schwermut ein.

"Heroine" oder "Same Sun" gehen dagegen in einer vorhersehbaren Indie-Leier unter. Der Synthesizer frisst die unscheinbaren Riffs im Hintergrund auf und Roboter-Gestotter wie "Go Go Go Go away, I need a, I need a proof that you feel the same", sorgt für ein beständiges Déjà-Vu-Erlebnis. Textlich hält sich das Finnen-Ensemble da einige Male zu lange mit zwischenmenschlichem Beziehungsgeplänkel auf. Von solch müdem Geplätscher geweckt, dreht man sich bloß achselzuckend zur Seite und pennt einfach weiter.

So viel Elektro-Gedüdel hat "Painted Arms" gar nicht nötig, um den trägen Hintern mit ordentlich Pfeffer über den Dancefloor zu scheuchen. Geschmeidiger Bass-Groove und eine schnellere Phrasierung begleiten den, naja, nostalgischen Blick ins Fotoalbum: "Brookyln Bridge, taking a photo, getting rich, taking a photo, raising kids, taking a photo". Die Chorus-Melodie atmet im Übrigen auch noch locker flockig durch den Autofilter. Demgegenüber lässt die abschließende Liebeserklärung in "With You" trotz femininer Guest-Vocals den entscheidenden Punch für große Gänsehautgefühle vermissen. Schade eigentlich, denn gesanglich geht das wirklich gut rein.

Solange der finnischen Indie-Vierer nicht zu auffällig zum großen Bruder aus Nordirland rüber schielt, darf man getrost handwerkliche Fortschritte herausheben. Für den alternativen Studentenclub abseits des Chart-Getümmels reicht es ohnehin schon lange. Und Songs, deren unaufdringlicher Charme das erste Eis bricht, werden da garantiert immer gebraucht. Tanzbar, quietschfidel und mit einem Gespür für die flüchtige Leichtigkeit des Seins ziehen die Vagabunden von dannen. Der Wind steht günstig im kalten Norden.

Trackliste

  1. 1. Vagabonds
  2. 2. Heartbeat
  3. 3. Polarized
  4. 4. Campus
  5. 5. Heroine
  6. 6. When Love Became
  7. 7. Painted Arms
  8. 8. Round And Round
  9. 9. Same Sun
  10. 10. The Trap
  11. 11. With You

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