laut.de-Kritik

Vereint im Scorps-Geist der Achtziger.

Review von

Die Genesis des neuen Scorpions-Albums wäre ohne die Pandemie anders verlaufen. Ursprünglich geplant war ein Date mit Produzenten-Legende Greg Fidelmann in LA. Aufgrund der Containment-Maßnahmen fiel der Trip ins Wasser. Die Aufnahmen zog die Band in heimischen Gefilden durch und ließ sich die Zeit, die es eben benötigt, wenn nicht der Terminkalender bestimmt, wann eine Platte fertig ist, sondern das Feeling.

Die kreative wie kommerzielle Talsohle der turbulenten Neunziger und Anfang der Nuller-Jahre scheint durchschritten. Gedanken ans Aufhören spielen keine Rolle mehr. Es gibt keine externen Songwriter wie die Zusammenarbeit mit Desmond Child auf "Humanity - Hour I", sondern weitestgehend das bewährte Duo Meine/Schenker. Die beiden pfeifen auf moderne Einflüsse und liefert genau die Rock-Nummern, die seit "Love At First Sting" immer mehr der US-Hardrock-Tradition gewichen sind.

Manch einer sieht das fünfzig Jahre nach dem Debüt erscheinende "Rock Believer" sogar als legitimen Nachfolger des Meilensteins "Blackout". Dem Himmel so nah, der Rock-Rente so fern. Erstmals mit auf der Konserve zu hören ist Ex-Motörhead Drummer Mickey Dee, der nun statt der 2015 verblichenen Chefwarze die Scorpions-Pyramide zum Beben bringt. Die dröhnenden Exponate "Peacemaker" und "When I Lay My Bones To Rest" sind wie gemacht für die Wadenkunst des Kesseltreibers. Selbst der Cowbell-Einsatz im Song "Rock Believer" sei ihm verziehen.

Die textlichen Analogien im hymnischen Titelstück zu "Steamrock Fever" von "Taken By Force" sind kein lauer Aufguss. Die Platte ist, wie "Roots In My Boots" beleuchtet, ein Zurück zu den Wurzeln. Natürlich nicht zur krautigen Vergangenheit um Uli Jon Roth, sondern zu den überlebensgroßen Werken Anfang bis Mitte der Achtziger. Dabei ist man mittlerweile besser gekleidet unterwegs, sprich Turnschuhe und Spandex bleiben im Schrank, Lederjacke und Jeans sind das Maß der Mode.

Ewig währt bekanntlich am längsten und so lehnt man sich an die kommerziellen Höhenflüge an wie ein Betrunkener des Nachts an den Laternenpfahl. Auch Sänger Meine hat das Stadion-kompatible Vokabular der Vergangenheit Klaustrophobisch internalisiert. Bei der Lektüre der Texte schnalzt man immer wieder mit der Zunge. Der Fronter lässt kein Klischee aus und wälzt die Furchen seiner Hirnrinde, um allerlei Anekdoten ans Licht zu bringen.

Der Opener "Gas In The Tank" gibt die Losung aus für die folgende dreiviertel Stunde. Yoga-Meister Schenker forciert in der Produktion die Maxime, mehr Dieter Dierks als Mutt Lange zu wagen, was in einem warmen, druckvollen wie differenzierten Klangbild mündet.

"Roots In My Boots" spendiert eine zwischen Dur und Moll-pendelnde Strophe sowie einen emphatischen Refrain, der den Binnenreim betont und äußerst Pop-affin ausfällt. Das straighte "Hot And Cold" versieht Schenker mit einigen dissonanten Tönen und unvorhersehbaren Akkorden.

"Shining Of Your Soul" beginnt im schleppenden Midtempo. Die zwischen das Anfangsriff platzierte Strophe ist im Reggae-Stil gehalten wie ihn Sting mit seiner Police-Truppe in den Achtziger perfektioniert hat. Der Band-Standard "Is There Anybody There?" schimmert ebenso deutlich durch. Das Bassspiel von Paweł Mąciwoda in diesem Lied ist bemerkenswert.

Mit der Ballade "When You Know (Where You Come From)" beschließt ein melancholischer Moment die Song-Kollektion. Im Vergleich mit "Holiday" oder "Wind Of Change" ist dieser Song nur ein laues Lüftchen. Wie einst beim durchkomponierten Auftaktsolo von "Rock You Like A Hurricane" punktet Matthias Jabs mit seinem direkten und zupackenden Stil, weniger melodisch flirrend wie sein Vorgänger Michael Schenker, ähnlich prägnant und pointiert wie Adrian Smith.

"Seventh Sun" fällt episch und fordernd aus in seinem sich langsam ausbreitenden rhythmischen Fluss. Jabs und Schenker spielen sich die Riffs komplementär zu. Klaus Meines-Stimme ist eine Benchmark für jeden jüngeren Sänger. Mit 73 Lenzen klingt die große Stimme aus dem kleinen Männchen nach wie vor in dieser unnachahmlichen Mischung aus hart und zart.

"Rock Believer" wirkt wie eine naive Utopie inmitten einer von Konflikten zerriebenen Welt, forciert durch die politische Schlechtwetterlage aufgrund der russischen Aggressionen. Dass dieses Prinzip Hoffnung noch existiert, ist auch ein Verdienst des Rock-Zirkus aus Hannover, der 2022 den Scorps-Geist der Achtziger mit maskulinem Hardrock zwischen Party und Pershing II beschwört. Hunde, wollt ihr ewig rocken? Solange die Abteilung Attacke das Sagen hat: Gerne.

Trackliste

  1. 1. Gas In The Tank
  2. 2. Roots In My Boots
  3. 3. Knock 'Em Dead
  4. 4. Rock Believer
  5. 5. Shining Of Your Soul
  6. 6. Seventh Sun
  7. 7. Hot And Cold
  8. 8. When I Lay My Bones To Rest
  9. 9. Peacemaker
  10. 10. Call Of The Wild
  11. 11. When You Know (Where You Come From)

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14 Kommentare mit 37 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Ich finde es sehr schön, dass sie Ihre Lieder dieses mal wieder selber geschrieben haben. Auf der "Return to Forever" waren Sie ja bei der Hälfte der Songs gar nicht am Songwriting beteiligt. "Rock Believer" ist ein überraschend starkes Album geworden, dass auch das Niveau der vorausgegangen Singles auf Albumlänge halten kann.

  • Vor 2 Jahren

    Erst wollte ich tatsächlich die Review lesen.
    Bei diesem Einstiegssatz "Die Genesis des neuen Scorpions-Albums" habe ich es dann aber gelassen. Da hat jemand ganz viel Humor.

    • Vor 2 Jahren

      Was genau stört Dich denn so an dem Einstiegssatz und wie hättest Du es formuliert?

    • Vor 2 Jahren

      "Was genau stört Dich denn so an dem Einstiegssatz und wie hättest Du es formuliert?"

      Tufff-Töööööö, nice one TheoTroll :lol:

    • Vor 2 Jahren

      Echt jetzt? Das ist alles? Da ist ja Ragi besser.
      Was los Wieselchen? Schlecht geschlafen?
      Komm, versuch es noch mal. Du kannst das besser.

    • Vor 2 Jahren

      Du hast sogar vergessen mir die Löschung nahezulegen.

    • Vor 2 Jahren

      Sowas habe ich noch nie ernsthaft bei jemandem hier getan! Bitte differenzieren!

    • Vor 2 Jahren

      Alles gut, lies was Du willst oder lass es, aber… Häää??
      Was stimmt denn mit dem Satz nicht? Wieso „Humor“? Kapier ich nicht.

    • Vor 2 Jahren

      Ist ja nicht mehr mit anzusehen. Ich möchte lösen und die Tragödie hier beenden:
      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Genesis_(B…)

    • Vor 2 Jahren

      Ok. Ihr wisst nicht, was das Wort „Genesis“ bedeutet?
      Soll vorkommen, Kopf hoch!

    • Vor 2 Jahren

      "Ich möchte lösen und die Tragödie hier beenden"
      Beenden? Du machst das hier gerade erst zum richtigen Trauerspiel.

    • Vor 2 Jahren

      Das ist also der Dank dafür, dass man hier versucht Kommunikationsprobleme aufzuklären. :mad:
      Tooli, ist da noch 'n Platz in deiner Karre auf dem Weg in Richtung Freiheit übrig?

    • Vor 2 Jahren

      Tolle Methode, Theo!

      Wenn ich das nächste mal einen Insider-Gag im Büro nicht raffe, weil ich zu viel im Home Office hing während der Pandemie, leih ich mir deine Coping-Strategie von hier mal aus und schlag einfach wild um mich während ich völlig infame und haltlose Unterstellungen spitte, die allen regelmäßig im Büro tätigen Mithörer*innen offenbaren, dass ich zwar überhaupt gar keine Ahnung habe worüber gerade eben noch gelacht wurde, aber sicher sein kann, dass danach erst mal wieder eine Zeit lang nur über mich gelacht wird, hm? Danke.

    • Vor 2 Jahren

      Lieber hochgeschätzter Pseudo,
      vergessen wir mal kurz, dass ich niemandem irgendetwas unterstellt habe, und wenden uns den Insider-Gags, die außerhalb dieses Kreises von Insidern gemacht werden, zu.
      Machen intelligente Menschen Insider-Gag öffentlich? Nö, denn die wissen, warum Insider-Gags Insider-Gags sind.
      In diesem Sinne wünsche ich ein schönes Wochenende und empfehle die freie Zeit zu nutzen, um das Lesen, vor allem das sinnerfassende Lesen zu üben. Zu mehr wird es bei Dir eh nicht reichen.

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      Ja, so kennen wir dich inzwischen, immer schön die Schuld bei anderen suchen und sich dabei für den cleversten Köter vor Ort halten.

      Vielleicht wäre ein erster Schritt für dich ebenfalls eine konsequente Kennzeichnung, dass du in deinen jämmerlichen Nöl-Einwürfen lediglich für dich und deine dauerbetroffenen Empfindungen sprichst und sonst gar nix.
      Für mich ist Herrn Glorps Teilnahme nämlich weder hier im speziellen noch sonst im allgemeinen ein Trauerspiel und was das dann anderes sein soll als eine Unterstellung deinerseits, wenn du was allgemein anmuten sollendes schreibst und zwei Kommentare später bist du bereits quantitativ sowie nach allen Regeln der Logik widerlegt... Dazu darfst du jetzt gerne ne Zeit lang ganz in dich gehen und dir die nächste deiner argumentativen Bankrotterklärungen überlegen, du selbstgefällige Wurst.

    • Vor 2 Jahren

      Von was lallst Du da? Meld Dich wieder, wenn Du klar im Hirn bist.

    • Vor 2 Jahren

      Lösch dich endlich, Theo. Es ist vorbei.

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      Wärst du meiner Empfehlung gefolgt und erst mal ne Zeit lang in dich gegangen anstatt dich gleich wieder mit dem Folgekommentar triggern zu lassen dann wüsstest du vielleicht von was ich rede, Theo. Aber der Trumpismus ist stark in dir, wie wir nun weiterhin ungebremst bezeugen dürfen. :rolleyes:

    • Vor 2 Jahren

      Ich bin so unfassbar stolz, Urheber dieses Fadens zu sein :)

    • Vor 2 Jahren

      "Pseudologe hat einen Beitrag von lazyweazel kommentiert." - hängt sowieso fast schon eingerahmt über meinem Schreibtisch!

  • Vor 2 Jahren

    Nachdem Klaus Meine ja so dicke mit Gerhard Schröder ist ...
    könnten sie sich nicht für Frieden in der Ukraine einsetzen?
    Oder ne Neuauflage von Wind of change als Charity-Version?