laut.de-Kritik

Schwingt erneut das angeblich ausladende Gemächt.

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"Okay, here we go. Ladies in the back, come up to the front row. Hello, welcome to the show." Manche Dinge ändern sich vermutlich nicht mehr. Sean Paul adressiert seine Toasts noch immer in erster Linie an die Damenwelt. Zumindest glaubt er das, während er - ebenfalls wie eh und je - Eins-A-Männerfantasien ausbreitet. "I want dem all", erst auf der Tanzfläche, dann im Bett. "Jump it, jump it, make da earth shake."

Diese Mission fest im Blick, watet "Full Frequency" mindestens knietief im Testosteron. Sean-da-Paul schwingt erneut das angeblich ausladende Gemächt und prahlt mit Stehvermögen und Technik, die, sollte auch nur ein Quäntchen Wahrheit in den Behauptungen stecken, vielleicht sogar über seinen bescheuerten Look mit Plastiksonnenbrille und Irokesenbürste hinweg trösten könnten.

Obacht, aber: Bei Konzentration auf die Texte verwandelt sich das Hirn nach spätestens dreieinhalb Tunes in Sperma, das zäh von einer Schädelhälfte in die andere schwappt. Das hat den Vorteil, dass die geistlose Slackness dann gleich viel weniger schmerzt. "Dancing, grinding, fucking like a pornstar". Alles klar.

Musikalisch lässt "Full Frequency" nach dem letzten Totalausfall zunächst sogar leise hoffen. Zusammen mit Damian Marley tritt Sean Paul nämlich zu klassisch blubbernder Reggae-Bassline gleich zu Beginn einen "Riot" los, dessen grummelnder Vibe mehr Ideen birgt als das ganze "Tomahawk Technique"-Album zusammen.

Die 2.0-Version von "Entertainment", diesmal mit Queen-Bitch Nicki Minaj neben Juicy J und 2 Chainz, schlägt in dieselbe Kerbe: Ähnlich zerfahren zwar wie der Opener, brennt die Nummer aber doch ein recht imposantes Feuerwerk an Dirty South-geschwängerten Bässen, Sirenen, Wucht und Geschrei ab. Es herrscht die totale Konfusion, und die gestaltet sich um Welten spannender als die viel zu oft strapazierte Stromlinienform.

Leider halten die Riddims nicht das eingangs hohe Niveau. Schon bald zeigen sich Verschleißerscheinungen. Die schwüle, schweißtriefende, leicht angeschrägte Atmosphäre von "Pornstar", die immer wieder in einen trägen Galopp kippt, fesselt zwar noch. Gesangsgast Nyla macht zunächst auch eine ganz ordentliche Figur. Sobald sich aber der schauderhafte Effekt über die Stimme schiebt, verkümmert jeder eventuell aufkeimende Funken Lust.

Der Fehler hat Methode: Immer wieder machen ekelerregend platte Großraumdisco-Synthies eigentlich mächtig rollenden Bässen nachhaltig den Garaus. Statt sich auf die tauglichen Dancehall-Roots zu besinnen, kleistern Sean Paul und seine Produzenten hier eine Plastikfläche, da einen R'n'B-übersättigten Refrain, dort noch ein bisschen "Hey! Hey!"-Gebrüll ins Bild. Brrr! Was schon in den 90ern bei Eurodance-Acts scheiße klang, hat über die Jahre echt nicht gewonnen.

Spätestens nach der Hälfte der Laufzeit scheint allen Beteiligten endgültig gar nichts Neues mehr einzufallen. Die eingelegte Engtanzrunde mit Iggy Azalea in "Wickedest Style" zeigt, genau wie später "Other Side Of Love", höchstens, dass Sean Paul im zungenfertigen Toasting weit versierter operiert, als wenn er sich an langsamerem Gesang versucht. Vielleicht sollte man doch bei dem bleiben, das man drauf hat?

Es muss ja nicht gleich Ausmaße annehmen wie in "It's Your Life". Dafür reanimiert Sean Paul schamlos seinen alten Überhit "Get Busy". Den billigen, aber immer noch funktionierenden Aufguss ruiniert dann allerdings auch wieder ein wahrhaft grausiger Synthie-Chorus, der direkt aus dem nächstgelegenen Massentanztempel im Industriegebiet um die Ecke entfleucht sein muss. Schlimm.

Trackliste

  1. 1. Riot feat. Damian 'Jr. Gong' Marley
  2. 2. Entertainment 2.0 feat. Juicy J, 2 Chainz and Nicki Minaj
  3. 3. Pornstar feat. Nyla
  4. 4. Want Dem All feat. Konshens
  5. 5. Hey Baby
  6. 6. Wickedest Style feat. Iggy Azalea
  7. 7. Dangerous Ground feat. Prince Royce
  8. 8. It's Your Life
  9. 9. Take It Low
  10. 10. Anyday
  11. 11. Lights On
  12. 12. Legacy
  13. 13. Other Side Of Love
  14. 14. Turn It Up

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