laut.de-Kritik
Stimmlich hat die Halbägypterin einiges zu bieten.
Review von Mara BruggerUnser Star für Oslo machte die Halbägypterin Sharyhan 2010 praktisch über Nacht zum Star. Sie begeisterte ein Millionenpublikum und besiegelt ihr musikalisches Talent nun mit ihrem Debutalbum "My Year". Schon in ihrer Kindheit sang sie abstruse selbstgebaute Melodien und schrieb Erlebnisse auf, die sie geprägt haben. Heute erzählt sie ihre Lebensgeschichten mit Musik. Bis ihre Storys jedoch in Liedform vorliegen, ist es ein langer Weg. "Sie kommen immer wieder, klopfen an, bis sie irgendwann so dringlich werden, dass ich sofort darüber schreiben muss", reflektiert Sharyhan.
In Kairo, der ersten Staion ihres Lebens, entsteht "I Feel The Nile". Ein selbstkomponiertes Lied und der einzige Song auf "My Year", den man als richtig guten Pop bezeichnen kann. Sharyhan nimmt uns mit auf eine Schifffahrt auf dem Nil und schüttet ihr Herz aus. Der Strom umschlingt sie, sie schöpft neue Lebenskraft und ist letztendlich so lebendig wie nie. Ein Hoffnungsträger und Mutmacher. Mit "In The City" reisen wir mit Sharyhan nach Stockholm, ihrer heutigen Heimat. Ein Track, der den Leuten in der Stadt nachspürt. Jeder lebt sein eigenes individuelles Leben. Man kann nur raten, was sich hinter Fenstern und Türen abspielt. Eine ruhige, selbstkomponierte Ballade, die perfekt für kalte Wintertage ist.
Sobald jedoch andere Leute anfangen, an Sharyhans Stücken mitzuarbeiten, hat man relativ schnell das Gefühl, sich in einer Platte von Sarah Connor oder Jeanette Biedermann zu befinden. So auch bei ihrer ersten Singleauskopplung "Red Carpet". Ein seichtes Popstückchen mit Glockenspiel und Harfe, das zwanghaft versucht, irgendwie im Ohr zu bleiben. Dazu trällert sie von einem roten Teppich und wie famous sie plötzlich ist, um am Ende aufzuklären: 'Alles Fake, ich bin immer noch nicht über dich hinweg'. Genauso gehts mit dem Titetrack "My Year" weiter: Das Glockenspiel scheint den Produzenten zu gefallen. Wenn man die Lieder übereinander laufen lassen würde, ließen sich nur minimale Unterschiede feststellen. Ironischerweise geht es in "My Year" um böse Plattenfirmen, die den großen Ruhm versprechen, aber meistens nicht einhalten können...
Besser wird es wenig später mit "Another Me". Verrucht und orientalisch haucht uns Sharyhan etwas über Männer und ihre Maschen ins Ohr. Im Midpart erklingen coole Streicher. Der Song wäre wirklich gut, wenn ihm nicht der Refrain im Weg stünde. Der kramt nämlich wieder ganz tief in der Schmalzpop-Kiste, so dass wir wieder bei Sarah Connor oder vielleicht sogar mit Wohlwollen bei Britneys "I'm A Slave For You" landen. Ziemlich schade eigentlich, denn stimmlich hat die Halbägypterin einiges zu bieten.
Einschläfernd wirds dann zum Schluss mit "Miss You". Ein Lied, dass irgendwie nur aus Refrain zu bestehen scheint und uns nochmals mit Xylophon und Co. den Nerv raubt. "Ich will zu hundert Prozent hinter diesem Album stehen", sagt Sharyhan in einem Interview. Ob sie das tut, bleibt ein ungelöstes Rätsel. Denn zwischen ihren eigenen und fremden Songs besteht ein meilenweiter Unterschied, der nicht zu überhören ist. Vielleicht bekommt sie ja die Chance, ein zweites Album zu produzieren und einiges besser zu machen.
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