laut.de-Kritik

Diesen Teeniefilm hätte Cro auch nicht harmloser hinbekommen.

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Vom Titel der Boulevardblätter in die Abendnachrichten, per Eilverfahren auf den Index und deshalb nun wirklich in aller Munde: Selten ging eiskalt kalkulierte Provokation so gut auf wie im Fall "Stress Ohne Grund". Die Kids werden "NWA" zweifellos kaufen wie gestört. Der Ersguterjunge-Labelboss gratulierte vorauseilend zu Platz eins in den Charts. Seine Prognose erscheint angesichts des Medienrummels keineswegs aus der Luft gegriffen.

Glückwunsch! Alles richtig gemacht. Der Toast richtet sich allerdings ausdrücklich an Bushido. Bushido hinten, Bushido vorn. Nach Shindy, dessen Name auf dem Cover steht, kräht bestenfalls am Rande ein dürres Hähnchen. "Ich will nur, dass alles mir allein gehört. Monopoly." Echt? Sorry, Mr. Nice Guy. Das ging gründlich daneben.

Wer nach den wenig zart besaiteten Angriffen, die Shindy im Vorfeld der Veröffentlichung in Richtung seines Ex-Kumpanen Kay One schoss, derbes Battle-Material erwartet hatte, dürfte auf "NWA" grandios enttäuscht reagieren. "Mein Leben ist ein Teeniefilm." Stimmt. Einer, den Cro auch nicht harmloser hinbekommen hätte.

Bei Mama wohnen, sich bekochen lassen, möglichst wenig arbeiten: Easy! Einen Markenfetisch pflegen, sich in Haarpflegeprodukten suhlen, ab und an eine hirnlose Barbie flachlegen. Im Kinderzimmer Musik machen, gerne auch zusammen mit den früheren Idolen, "Immer Immer Mehr", und dabei in einer konsumfixierteren Variante von Peter Fox' "Haus Am See" von einer Existenz als "Rentner" träumen. Schon klar, soll alles ironisch sein. Aber viel mehr ist inhaltlich halt trotzdem nicht drin.

Einzig die Liebeserklärung an die "Oma" selig und das etwas kritischer beäugte "Spiegelbild" gestatten winzige Blicke hinter die auf Hochglanz polierte Sunnyboy-Fassade. Ansonsten hat Shindy - abgesehen von einem offensichtlich nicht verarbeiteten Schultrauma, das ihn erst die Deutschlehrerin, dann den Physiklehrer, dann den Mathelehrer schmähen lässt, ehe er die Abiparty sprengen geht - wenig zu erzählen. "Ich bin der Schulschreck, nie ohne Knutschfleck." Aber die anvisierte Zielgruppe im schulpflichtigen Alter hält vermutlich auch "Liebeslied" für sexy, am Ende sogar für romantisch.

Man sagt, "BWL-Bitches finden Shindy super. Botox, Blowjobs, Minicooper." Wem derlei Lyrik genügt: Bitteschön. Der grassierende Wortbrockenwürfelhusten, der satzbaubefreit Schlagworte aneinander reihen lässt, scheint im Hashtag-Zeitalter ja ohnehin im Trend zu liegen. Shindy schert sich jedenfalls einen Scheiß um Zusammenhang, einen Plot oder auch nur einen Sinn. "Mir geht es blendend, ich tu', was ich will." Es gibt verkrampftere Haltungen.

Immerhin beweist er an vielen Stellen Kenntnis seines Metiers und zitiert sich von "Baby Got Back" über "Lady Marmalade" zu "C.R.E.A.M.", und das alles in einem Track, den er dann frech mit "Ice-T" überschreibt. An anderer Stelle gräbt er gar Grandmaster Flashs "Message" aus. Hip Hop-Hausaufgaben gemacht, zwischen zwei Folgen "Breaking Bad". Brav.

Die musikalische Ausgestaltung, überwiegend auf Shindys eigenem Mist gewachsen, passt überall gut. Ein fröhlich hüpfendes Piano verkündet es schon: "Arbeit Ist Out". Der "Rentner" greift zur Akustikgitarre, das "Highschool Musical" kriegt seine Heiteitei-Mitsing-Melodei, richtig melodisch wird es im Gedenken an "Oma". "Kein Fick" hat Shindy ja vorher schon gegeben, zu ordentlich kopfnickbarem, angerotztem E-Gitarren-Sound.

Auch ohne Tiefgang verursacht "NWA" kaum Schmerzen - abgesehen von den Featureparts. Die wirken ärgerlich egal: Eko Fresh etwa, "der Auserwählte, der die Austern schälte". Oder Sido, der sich zum gefühlt dreihundertsten Mal an seine Anfangstage erinnert. Oder Julian Williams, der sich in altvertrauter Manier eine Hook und noch eine von der Seele schluchzt.

Für die echten Tiefpunkte dagegen sorgt Bushido. "Hip Hop ist nicht tot, ich bin der lebende Beweis." Noch nicht tot, meinte er wohl: Die Bild-Zeitung und ihre zum ... ja ... "Rappen" aufgerufenen Leser legen dieser Tage zum Fangschuss an. Schön, dass eine breite Nixblicker-Front jetzt wieder glaubt, das sei der Inbegriff von deutschem Hip Hop. Wäre dem so, ich würde das Genre auch verachten.

Bushido drängt sich zwar gleich in vier Tracks, gibt dort aber nichts, rein gar nichts von sich, das darüber hinaus ginge, sich ob der Schlagzeilen, die er in den vergangenen Wochen generiert hat, einen von der Palme zu wedeln. Falls es jemand noch nicht mitbekommen hat: Er war mit der Mafia auf dem Sterncover, der Mann ist so so geil. "Du, du, du Bastard, yeah, yeah, Bushido." Äh, ja.

Westerwelle eine Schwuchtel heißen, Serkan Tören den Tod wünschen, auf Claudia Roth eine Salve abfeuern, nebenbei die CSU grüßen (ich würde mich bedanken), Pocher, Wowereit, Kay One und Cindy aus Marzahn brüskieren und ein paar homophobe Zeilen aus alten "CCN"-Tagen aufwärmen. Ach, und: "Fick die Presse." Irgendjemand wird dem Dreck schon eine Bühne geben. Quod erat demonstrandum.

"Du willst entertaint werden? Nur zu, hol' dir T-Home." Was, bitte, soll denn das für eine Haltung sein? NATÜRLICH will ich entertaint werden! Welche Aufgabe, welche verdammte Daseinsberechtigung hätte ein Rapper sonst? Nicht, dass wir hier solches geboten bekämen, aber die realistischsten Ghetto-Reportagen, die sozialkritischsten Überlegungen zur Lage der Nation verpufften nutzlos, so lange sie nicht unterhalten. Von Unterhaltung, von guter ganz zu schweigen, bleibt Bushido aber meilenweit entfernt.

Was er hier abliefert, geht bestenfalls als Lehrstück für gelungenes Marketing durch. Gelernt bleibt gelernt: Wie man drittklassigen Mist in ein paar fadenscheinige Skandälchen wickelt und wie geschnitten Brot der kritiklosen Fanschar verkauft, die sich angesichts des Aufschreis der breiten Masse über den Teufel Hip Hop wieder ganz besonders outlaw, gangsta und gefährlich vorkommen kann, haben sie schließlich schon bei Aggro Berlin gezeigt.

Trackliste

  1. 1. Arbeit Ist Out
  2. 2. NWA
  3. 3. Warum Ich Das Mach ...
  4. 4. Ice-T
  5. 5. Immer Immer Mehr feat. Bushido & Sido
  6. 6. Rentner
  7. 7. Springfield feat. Bushido
  8. 8. Highschool Musical
  9. 9. Kein Fick
  10. 10. Lieblingslied feat. Julian Williams
  11. 11. Stress Ohne Grund feat. Bushido
  12. 12. Martin Scorsese feat. Eko Fresh
  13. 13. Oma
  14. 14. Spiegelbild feat. Julian Williams

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