laut.de-Kritik
Disco in der Villa Kunterbunt.
Review von Artur SchulzSia Furler betörte bislang mit meist eigensinnigen, leicht verschrobenen Songs, die aber niemals Furcht vor der Schublade Pop zeigten. Mit "We Are Born" wagt sich die Australierin noch eindeutiger in diese Richtung - und schaut diesmal in der Disco vorbei.
"The Fight" glüht als zwar als eingängig sauberer Pop vor, arbeitet aber mit Ecken und Kanten. "Clap Your Hands" findet bereits mühelos den Weg vorbei am strengen Disco-Türsteher hinein ins Vergnügen. Handclaps und trockenes Schlagzeug markieren "Stop Trying".
Mit Techno-Licks verziert fordert Sia "Be Good To Me" und fährt im Hintergrund auch ein paar quengelige Gitarren auf. Gerade hier führt sie ihr kräftiges Timbre durch allerlei Höhen und Tiefen, und lotet die stimmlichen Fähigkeiten voll aus - ohne dabei vordergründige Vokal-Akrobatik abzuliefern.
Schwarz-weiß ist ihre Sache zudem nicht. Wie bereits beim Vorgänger mag es Sia (nicht nur auf dem Cover) farbig und kleckst in bester Villa Kunterbunt-Manier mit dem Pinsel. Das schlägt sich auch im Songwriting nieder.
Stärker als je zuvor hat sie die Tanzfläche im Visier, doch bleibt Miss Furler auch im Nachtclub stilsicher: Nichts klingt aalglatt oder durch zuviel Schmierseife gezogen. Bei Sia steht zunächst der Song und seine Intensität im Vordergrund.
"Bring Night" tobt sich auf federnden Wave-Beats aus, die Drums knallen. "Never Gonna Leave Me" besticht zickisch und verführerisch. Balladeske Töne finden sich 2010 nur am Rande ("I'm In Here").
Für ihre Uptempo-Nummern wirft die Künstlerin nicht den seelenlosen Computer-Turbo an. Dann und wann auftauchende "Na-na-nas" und "Oh-oh-oh-ohs" verkommen auch nicht zu stupidem Zierrat. Außerdem: Wer meist originelle Texte parat hat, darf sich das erlauben.
"We Are Born" besitzt nicht diese liebenswürdig-spinnerte Aura des Vorgängers "Some People Have Real Problems". Doch erfreulicherweise verzichtet Sia weiterhin auf oberflächlichen Schnickschnack. Gerade die Tatsache, dass sie noch immer, wenn auch domestizierter, ihre charmanten Neurosen pflegt, hebt das Album aus der Masse von Pop-Platten mit Dance-Attitüde heraus.
Keine Spur von muskelbepackter Angestrengtheit der Sorte Neuzeit-Madonna (mit "Oh Father" ist sogar ein gelungenes Cover aus deren Album "Like A Prayer" dabei), kein Technik-Overkill aus dem Aguilera-Labor - und dazu mehr Hirnfutter als Lady Gaga
3 Kommentare
Tolle Review, Artur. Aber dann 3/5?
Ich gebe 4,5/5
Das Album ist klasse, mir scheint hier wurden wieder einmal Punkte wegen dem "Pop-Faktor" abgezogen ...
Was ja dämlich wäre, da gerade dieser das Album so herrlich erfrischend macht.