laut.de-Kritik
Nah dran am Indie: ein Rocker mit Eiern in der Hose.
Review von Christoph Dorner"It's not a cage / It's just a room without any door." So lauten die ersten Worte, die Markus Baltes in "Sorry For The Bad View" für sein Projekt Sidewaytown findet. Nicht eingesperrt, aber auch ohne Möglichkeit zu gehen. Baltes singt die Worte mit warmem Atem und voller Hoffnung. Sidewaytown sollen für ihn eine Erlösung gewesen sein, als es zwischenzeitlich mit seiner Hauptband, den Progressive Metalern Autumnblaze nicht mehr weitergegangen war.
Nun ist das erste Album "Years In The Wall", das eigentlich aus dem Jahr 2007 stammt, wiederveröffentlicht worden. Baltes wollte sich wohl nicht damit abfinden, dass dieses ausgetüffelte Album resonanzlos im Orkus verschwindet. Und das ist auch gut so.
Denn so sehr man Sidewaytown an den tief gestimmten, aufreißenden Gitarren eine klassische Rock-Sozialisation (die mit den Eiern in der Hose) auch anhört, so nah ist er doch dran an den spannenden Post-Rock-Entwürfen aus dem Indie-Umfeld: Jene, die neben der üblichen Auslotung von Laut-Leise-Dynamiken Shoegazing mit aufgetürmten Soundwallungen in die Potenzierung der internen Fallhöhe der Songs genauso einfließen lassen wie dezente Pop-Zartheiten.
Bei Baltes ist es die hauchdünne Kopfstimme, die Sidewaytown mit melodisch druckvollen Songs wie "Lightseconds" oder "Beautiful Accident" in die Nähe von bravourösen US-Bands wie Gregor Samsa oder The Appleseed Cast rückt, die wiederum den brachialen Sound von My Bloody Valentine neu zusammengesetzt haben.
Diese Referenzgröße steckt natürlich auch immanent in Sidewaytown. "Empty Station" dagegen erinnert mit Spoken-Word-Stoismus zunächst an die früheren Mogwai, ehe der Song am Ende zu einer echten Hymne aufreißt. Auch die Farben und Pinsel für die flirrenden Klangbilder zur Umrahmung seiner Songs könnte Baltes von den Schotten geliehen haben.
Aber nicht geklaut. Denn "Years In The Wall" klingt in seiner musikalischen Sinnsuche tatsächlich so aufrichtig, spannend und kohärent, dass Markus Baltes und Sidewaytown zurecht ihre zweite Chance verdienen.
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