laut.de-Kritik
Die Ossis als musikalische Weltbürger.
Review von Christoph DornerDie Zeit hatte zur Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten einen schönen Feuilleton-Aufmacher: "Das Ende der Ossis". Die Kategorie des "Ossis" sei jetzt doch trotz des wirtschaftlichen Ungleichgewichts nahezu überwunden, schrieb die Wochenzeitung, da es in Gauck und Angela Merkel gleich zwei politische Menschen aus der ehemaligen DDR an die Spitze des Staates geschafft haben. Popmusik ist seit jeher durchlässiger für sozialen Aufstieg als die gesellschaftlichen Systeme von Politik und Wirtschaft gewesen.
So hat es seit der Wiedervereinigung einige Bands gegeben, die es mit einer meist eher kürzeren DDR-Vergangenheit bis an die Spitze der Charts geschafft haben. Nur, die meisten von ihnen kamen ohnehin aus Ost-Berlin und waren durch die spezielle Aufmerksamkeitsökonomie der Hauptstadt sozialisiert worden. Silbermond aus dem ostsächsischen Bautzen sind in diesem Zusammenhang tatsächlich ein besonderes Phänomen.
Schließlich hat die Band, getragen von der Euphorie eines Konzerts mit den Puhdys und der Marktschreierei sächsischer Privatradios, zuerst die Heimat erobert. Ihre Identität hatten Silbermond bereits gefunden, bevor sie nach Berlin umzogen und noch viel erfolgreicher wurden als Wir sind Helden, Juli und alle die anderen Bands mit dynamisch-hübscher Frontfrau.
Hört man sich die ersten drei Platin-Alben der Band nun noch einmal an, sind es stets diese affirmativen Umarmungen von Sängerin Stefanie Kloß, die diese ironiefreien Lieder mit den süffigen Pop-Melodien und den nicht all zu anstrengenden Rockismen so griffig wirken lassen: Ihr seid toll. Ihr könnt es schaffen – was auch immer. "Zeit für Optimisten". Oder auf dem neuen Album: "Das Gute gewinnt".
Mit dieser Affirmation ostdeutscher Befindlichkeiten haben Silbermond schnell die ganze Republik erobert. Auf "Himmel auf" reagiert die Band nun nach dreijähriger Pause mit seismographischer Genauigkeit auf kleinere Erschütterungen der Mentalität des Mainstreams. Silbermond klingen nun tatsächlich erstmals etwas weniger wie Ossis, die sich an deutschem Pop-Rock à la Xavier Naidoo und Die Happy orientieren – und etwas mehr nach Coldplay, den musikalischen Weltbürgern des 21. Jahrhunderts.
Das beweist schon die Single "Himmel auf", die sich von einer sphärischen Indiepop-Emphase unvermittelt in ein euphorisches Stadionrock-Crescendo mit einer leider lauthals gähnenden Leadgitarre hechtet. Allein wegen der Präsenz von Stefanie Kloß in ihrer ganz hübsch paraphrasierten Suche nach Glück im kalten Berlin Popmusik fürs Radio. Eines lässt sich ohnehin konstatieren: Der Erfolg von Silbermond steht und fällt mittlerweile ganz mit Stefanie Kloß und ihren Erbauungsbotschaften an die Mittelschicht.
Da macht es im Grunde gar nicht so viel aus, dass sich die Band im Opener "Unter der Oberfläche", aber auch in "Wofür" und "Es geht weiter" mit jubilierendem Pathos und ein paar produktionstechnischen Sperenzchen an einem größeren, sinnlicheren Sound versucht. So schlecht ist das nicht. Das Umstyling fällt Silbermond schon mit "Gegen" wieder vor die Füße. Denn das Stück ist nicht mehr als ein plump rockender, inhaltlich gar peinlicher Abklatsch einer Nonkonformismus-Hymne, wie sie die Ärzte einst mit "Rebell" geschrieben haben.
Silbermond sind genau leider dann am ärgerlichsten, wenn sie ein echtes Anliegen zu haben scheinen. Es ehrt sie zwar, dass sie im kantenlosen Pädagogen-Pop von "Irgendwo in der Mitte" eigentlich auf die leichte Verführbarkeit junger Menschen durch politische Extremisten hinweisen wollen. Dabei stolpert die Band allerdings höchst ungelenk über den politisch besetzten Begriff der Mitte: "Dein Glück liegt irgendwo in der Mitte/ irgendwo in die Mitte gehört dein Herz". Wenn Silbermond damit eine heimliche Wahlempfehlung für CDU oder SPD abgeben wollten, ist zumindest das gelungen.
Gleiches gilt für das hemmungslos kitschige "Weiße Fahnen", in dem Silbermond das Schicksal afrikanischer Kindersoldaten thematisieren, dabei aber um keine noch so abgedroschene Formulierung verlegen sind. Hier erfüllen die Bautzener einzig noch ihre Funktion als öffentlichkeitswirksame Charity-Band – gute Popmusik klingt anders. An die Spitze der Charts werden es Silbermond trotzdem schaffen. Denn, wie war das? Wir sind Papst, wir sind Gauck, wir sind irgendwie – leider auch - Silbermond.
36 Kommentare
Bei denen muss ich mich immer spontan übergeben...
wurde in die frontfrau reinballern
...war gestern nicht schlecht beim Echo, so ein eingängiges Lied, gute Performance. Dagobert - ich würde Steffi auch nich t von der Bettkante stoßen...
@sancho bzgl helden-klientel: ja, aber zumindest die helden scheinen so ein publikum auch zu wollen und stören sich nicht daran;)
ich mich an ihrer musik nicht.
an silbermond dagegen schon eher, das ist mir oft einfach zu schmonzettig und plakativ. geht mitunter gar nicht!
@sancho bzgl b-zeitung: die ist niemals cool.
So viel kann ich gar nicht kotzen, wie ich hier lese! Sorry! Ich versuche mich mal annäherungweise an dieses Niveau heran zu tasten.... da wird mir schlecht! Wenn euch die Musik von einer Band nicht gefällt, dann hört sie doch enfach nicht! Wir leben in einem freien Land! Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll! So eine gequirlte S***** hab ich noch nie gelesen - wer "Irgendwo in der Mitte" mit einem kantenlosen Pädagogen-Pop und einer politischen Aussage in Verbindung bringt, ist entweder in Therapie oder bekommt die BTM unter der Hand... dises bestätigt sich auch noch im Kommentar zu "Weiße Fahnen" - hier wurde ein ganz ernstes Thema in Musik formuliert! Und dieses als
"keine noch so abgedroschene Formulierung verlegen sind. Hier erfüllen die Bautzener einzig noch ihre Funktion als öffentlichkeitswirksame Charity-Band ? gute Popmusik klingt anders"
abzuklatschen, ist ein direkter Schlag ins Gesicht der Betroffenen!!!!
Es gibt in Deutschland wenige Bands die ihr eigenes Ding machen können! Und Silbermond haben sich ihre Eigenständigkeit bewahrt - sie probieren, machen neue Dinge, und sie sind eine Live-Band (was auch heißt, dass sie für die Musik leben!) und ich freue mich auf die Konzerte.
Und wem der Stil nicht passt! Einfach nicht hinhören und Klappe halten! Und an Laut.de.... ein objetiverer Review wäre sicherlich nicht schlecht! ...denn dieser ist milde ausgedrückt falsch und suboptimal - vor allem für den Ruf von laut.de!!!
Is die ganze Nation 16 Jahre alt