laut.de-Kritik
Die Briten kochen kalten Techno.
Review von Karim ChughtaiUngeahnte Delikatessen versprechen Simian Mobile Disco mit ihrer musikalischen Neuorientierung. Launchten James Ford und Jas Shaw doch 2010 ihr eigenes Label Delicacies samt gleichnamiger Eventreihe ("SMD pres. Delicatessen"). Wem das alles zu schnell ging, bekommt nun mit "Delicacies" sämtliche 12"-Veröffentlichungen als Compilation des frischen Backkatalogs und als Visitenkarte des elektronischen Exzesses im DJ-Mix.
Ebenfalls delikat gestaltet sich die anfänglich bizarr erscheinende Namensgebung der Tracks. Jeder Song verdankt seinen Titel dem kulinarischen Jetset des Duos, das seine Auswärtsspiele gerne für das Testen exotischer Köstlichkeiten nutzt.
Dem Rückblick auf die heimatliche Hemisphäre entsprang wohl auch der Gedanke der Neubesinnung: Anstelle bekannter Indie- und New Rave-Electropop-Songstrukturen feiern die Briten ihre Loyalität zum Techno. Statt kommerzieller Kompatibilität frönen sie heute lieber wieder dem ausschweifenden Nachtleben.
Fand "Temporary Pleasures" seinen Hot-Spot noch im nachmittäglichen Radioprogramm, betritt "Delicacies" den Club nicht vor drei Uhr nachts. Statt bunter, chartfähiger Songs mit Gast-Vokalisten kreieren sie nun tiefere, dunklere Ansätze, in denen harte, kompromisslose Analogbeats nur stellenweise von leichtfüßigen, melodischen Ansätzen aufgelockert werden.
Sogar auf Album-Edits verzichtete man komplett, jeder Song darf sich über eine Spielzeit von mindestens sieben Minuten ungebremst austollen. Der Opener "Aspic" etwa baut sich mit hibbeliger, Acid-lastiger Synthesizerlinie in solcher Seelenruhe auf, bis die Tore zur schattenreichen Four-To-The-Floor-Hölle vollkommen offen stehen.
Dann ist der Weg frei für das weiter aufziehende Gewitter. Seinen Titel unterstreichend, bohren sich die industriellen Klangcollagen von "Nerve Salad" direkt ins Synapsenzentrum vor, "Casu Marzu" entfaltet seine düstere Rüpelhaftigkeit und leitet über zum leicht schizophrenen "Thousand Year Egg".
Zeugen "Skin Cracker", "Sweetbread" und "Ortolan" noch von einer leichteren, housigen Note, stehen "Hákarl" und "Fugu" für den insgesamt eher schwer verdaulichen Abgang des Menüs.
Simian Mobile Disco kochen kalten Techno. Weitere Beilagen wurden von der Karte entfernt. Die neue Küche ist dabei kein Schritt nach vorn oder hinten, vielmehr einer zur Seite. Auch wenn die Band als Vorgeschmack illustre Remix-Aufträge wie von Carl Craig für ihr letztes Album orderte, dürfte "Delicacies" für die Unterstützer von Stunde Null ziemlich unerwartet daherbollern (und unbefriedigend sein). Wer aber vertrackten, reduziert gehaltenen und schlau ausgeklügelten Techno goutiert, den bewirtet "Delicacies" einwandfrei.
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