laut.de-Kritik
Das finnische Synthpop-Duo hat zu viel "Breaking Bad" geschaut.
Review von Andrea TopinkaHinter Sin Cos Tan, dem namentlichen Alptraum vieler Oberstufenschüler im Mathe-Unterricht, stecken die Electropop-affinen Finnen Jori Hulkkonen und Juho Paalosmaa. Und auf ihrer dritten Platte "Blown Away" erzählen sie ebenfalls die Geschichte eines Traums. Es geht nicht etwa um den finnischen von einer Holzhütte mit Sauna am See, sondern um den American Dream.
Folgt man der Storyline, möchte man Sin Cos Tan vorwerfen, sie hätten US-Serien wie "Weeds" oder "Breaking Bad" etwas zu viel konsumiert: Michael Burana, Protagonist der Platte, steht mit 52 Jahren vor den Trümmern seiner Ehe, gefangen in einem langweiligen Job. Enttäuscht von seinem Leben fliegt er nach Mexiko, wo er nach einigen Partynächten voller Drogen und Frauen mit einem Drogenkartell ins Geschäft kommt und zu einem erfolgreichen Drogenkurier aufsteigt.
Da er allerdings mit dem wichtigsten Grundsatz der US-Charaktere bricht und seiner Ware selbst verfällt, steht er am Ende der Platte von Suchtproblemen und Paranoia gequält wieder vor einem großen Scherbenhaufen, während "The Star-Spangled Banner" ertönt ("Heart Of America").
So wie das lyrische Konzept lebt auch die musikalische Umsetzung von Parallelen und Rückgriffen auf Bekanntes. Das Cover mit Palmen im Sonnenuntergang, aufgenommen im Cinemascope-Format und mit gelber Untertitelschrift gibt den richtigen Hinweis: Das Duo taucht mit seinem Synth-Pop tief in die 80er ein und ähnelt dabei manchmal Retrobands wie den Friendly Fires ("Blown Away"). Der mächtig hallende Chorus von "Lifestlyle" könnte fast von Empire Of The Sun stammen.
Was Sin Cos Tan mit solchen Interpreten verbindet, ist ihr Händchen für catchy Melodien, gepaart mit passenden Textzeilen. Das beginnt schon im energiegelanenen Opener "Divorcee": "All my love affairs come back to me". Worte bräuchten die Finnen oft nicht, um die Geschichte im Kopfkino zum Leben zu erwecken. Im Instrumental "Traffic" beispielsweise kippt die Stimmung des Drogenkuriers langsam. Hektische, vergleichsweise düstere, kalte Synthie-Klänge treiben ihn zwischen den Grenzen der USA und Südamerikas hin und her.
Das zerbrechliche "Addiction" voller Verlangen eines Süchtigen mündet mit sanften Keyboard-Sounds im Anschluss in drogengetränkte Paranoia: "CIA tapping my phone calls 24h-watch". "Cocaine" gehört zu den markantesten Stücken des Albums: Unter das unruhige Synthesizer-Bett mischen sich heftige Piano-Anschläge und verzerrte Bläser-Sounds.
Stimmungskiller sind die Tracks auf der zweiten Albenhälfte nicht, nur deutlich treibender, tanzbarer als etwa "Colombia" am Anfang. Die verträumte und von der Exotik Südamerikas faszinierte Stimmung des Protagonisten spiegelt die gleichmäßigen Klangwellen und das Vogelzwitscher wider, das in den späteren Titeln Flughafendurchsagen und Maschinenlärm weicht.
Juho Paalosmaa überzeugt mit seinem Falsettgesang in den euphorischen wie verzweifelten Momenten. Nur manchmal übertreibt er es mit Emotionen und Pathos. Im Closer "Heart Of America" sieht man ihm fast schon auf die Knie fallen, die Hand zur Faust ballen und dramatisch "From the heeeeaaart of Aaamericaaaa" ausrufen. Allerdings passt das sehr gut in das Gesamtbild vom 80er Retro-Pop.
Und apropos Falsettgesang: Der weckt Erinnerung an "Solar" von Rubik, dem finnischen Sommeralbum des Jahres 2011. So ansteckend wie deren Indie-Pop kommt "Blown Away" von Sin Cos Tan nicht daher. Bei 30 Grad im Schatten taugt es dennoch alle Mal.
1 Kommentar
Klingt ganz nice. Reicht für einen Sommer.