laut.de-Kritik
Willkommen im Club.
Review von Yan TemminghoffDer aufrechte Gang wird gemeinhin als Geburtsstunde des Menschen angesehen. Die Fähigkeit die Hände zu benutzen, stellte die Grundlage für zahlreiche kulturelle Techniken wie die Nutzung von Instrumenten dar. Dass in der Entwicklung zum Homo Sapiens auch niedere Instinkte bewahrt wurden, ist mit Blick auf das triebhafte wie zerstörerische Walten der selbstverliebten Gattung unübersehbar.
Womit wir beim Hardrock wären, insbesondere der Subgattungen Glam und Sleaze. Hier spielt das zum reinen Zeitvertreib verkommene und vom Ziel der Reproduktion entkoppelte Korpulationsverhalten eine große Rolle. Die Gitarre ist die Verlängerung der lyrischen Ergüsse.
Wie so oft gibt es wenige Originale und umso mehr Abziehbilder. Skid Row gehörten Ende der Achtziger zu den Nutznießern der Saat, die Van Halen, Aerosmith oder Guns N' Roses gelegt haben. Dass die überproportionale Verwendung von Haarspray zur Eintrübung des Bewusstseins führen kann, davon können etwa Mötley Crüe ein Lied singen.
Skid Row fühlen sich im Spannungsverhältnis zwischen Künstlerseele und Knallcharge pudelwohl. Hemmungslos und haarsträubend pflügen die wahlweise als Vorreiter und Trittbrettfahrer anzusehnenden hochtoupierten Mucker durch die eigene Historie und die Achtziger allgemein. Die Realitätsverweigerung in einer ohnehin relativen Welt verkörpern Skid Row par excellence.
2006 erschien mit "Revolutions Per Minute" der letzte Longplayer der Hardrocker aus New Jersey. Seitdem ist allein auf dem Sängerposten einiges passiert. Neben Dragonforce-Heulboje ZP Theart, gaben sich TNT-Sänger Tony Harnell und Johnny Solinger die Klinke respektive das Mikro in die Hand. Recht frisch ist nun Ex-H.E.A.T-Fronter Erik Grönwall, der seit 2022 das Erbe von Sebastian Bach weiterführt.
Skid Row führen auf "The Gang's All Here" den Puderzucker ihres Debüts und die Kante des Nachfolgers "Slave To The Grind" zusammen. Trotz der erfolgreichen Balladen-Vita mit "18 And Life" und "I Remember You" begeht die Band nicht den Fehler, daran anzuknüpfen. Die einzige behutsame Nummer "October Song" besticht mit Facettenreichtum, ist dramatisch wie episch ausgelegt und somit weit davon entfernt, auf Clickbait zu setzen.
Dave Sabo, Gründungsmitglied von Bon Jovi, hält gemeinsam mit Gitarrenkumpel Scotti Hill und Tieftöner Rachel Bolan den Kahn auf Kurs. "Time Bomb", mit seinem schleppenden Riff und der einprägsamen Punchline in der Hook und der mit coolen Gangshouts ausstaffierte Titelsong geben die Marschroute vor. Passend in Szene setzt die Rocker aus New Jersey Produzenten-Soundmaschine Nick Raskulinecz (Foo Fighters, Rush). Der Klang tönt nach Stadion. Wären die Songs 30 Jahre eher erschienen, so wäre ihnen ein Platz in der Arena sicher. Heute reicht es immerhin noch für eine Krawallstunde im Club.
Noch keine Kommentare