laut.de-Kritik

Die Nordsee ist eben das bessere Meer.

Review von

Freunde der gepflegten Gitarren-Dampframme, findet euer Heil in Smoke Blow! So tönte es beim Kollegen Johannesberg schon zu Zeiten von "German Angst", dem Longplayer von 2003, und exakt so befehlige ich es euch 2008. Das sechste Album der Kieler verspricht nicht nur, es hält! Und wie!

Erstaunlicherweise fühle ich mich erst einmal an Turbonegro erinnert. Ein getragenes Intro, das erst gegen Ende ein wenig gen Metal abdriftet, leitet über in den straighten Rocker "Criminal", wie ihn die Norweger nicht besser zelebriert hätten, allein die deutsche Line macht den Unterschied.

Straight geht es erstmal weiter, bevor "Murder/Good Cop" die Temposchraube anzieht und das Ganze einen deutlichen Punkeinschlag bekommt. Die Fronter Letten und MC Straßenköter beweisen hier eine grandiose Präsenz über den Gitarrenwänden, die Gerrard und Kentucky mauern. Das ganze endet im verschlepptem Mosh-Part, einer Orgie von Schrammel und Becken.

Das wiederum straightere "Social Morlock" erweist sich als kleines songwriterisches Meisterwerk und brilliert mit seiner Mörder-Hookline. Der Wahnwitz erreicht mit dem folgenden "Zombie Aufm Klapprad" seinen ersten Höhepunkt. In Sachen kontemporärer Deutschpunk löst diese irrsinnige Nummer meinen bisherigen Liebling "Frieda Und Die Bomben" von den Beatsteaks und Turbostaat locker ab.

"Nuclear War" reminisziert auf ganz eigene Art an die Atomkriegsangst der Achtziger Jahre, und auch hier kriegen die Norddeutschen ihre Hörer wieder über die Melodie. Überhaupt: Der unbedingte Wille zur großen Ohrgängigkeit prägt "Colossus" von vorne bis hinten. Und sie verstehen sich darauf. Noch Stunden später hat man beispielsweise den Refrain von "Swamp Creature" oder das stark an die Misfits erinnernde "Hollywood Mystery" im Ohr.

So comichaft viele Songtitel auf der Platte anmuten, so ausgezeichnet sind die Stücke selbst. Wobei die Zeichner eher den dicken Bleistift ansetzen, als die filigrane Feder. Aber alles andere wäre auch zu wenig des Guten gewesen. Besonders deutlich wird dies noch einmal beim Fünf-Minuten-Brett "Junkie Killer".

Und das abschließende "Am Strand" beweist, dass die Nordsee das bessere Meer ist. Wenn schon Kieler sie besingen. Ein letztes Mal wippt der Kopf und schüttelt die Hüfte. Herrlich! Das Sextett hat dreizehn Punkrock-Bastarde geschaffen, die sicherlich das Jahr übedauern werden.

Trackliste

  1. 1. Colossus
  2. 2. Criminal
  3. 3. Millionaire
  4. 4. Murder/Good Cop
  5. 5. Social Morlock
  6. 6. Zombie Auf'm Klapprad
  7. 7. Nuclear War
  8. 8. Swamp Creature
  9. 9. F.S.O.S.
  10. 10. Junkie Killer
  11. 11. Hollywood Mystery
  12. 12. Masquerading
  13. 13. Am Strand

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LAUT.DE-PORTRÄT Smoke Blow

Jack Letten (Gesang), Greif Hellhammer (Bass), Kentucky (Gitarre), Fabrizio (Drums) und Gerrard the J.R. (Gitarre) aus Schleswig-Holstein bilden Smoke …

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