laut.de-Kritik
Ein Album wie ein endloser Strandtag.
Review von Sven KabelitzFünf Jahre liegt der SO36-Punk von "My Dreams Dictate My Reality" mittlerweile zurück. Fünf Jahre, in denen sich Soko ebenso weit weg von dem Album entwickelte, wie damals von ihrem Debüt "I Thought I Was An Alien". Für "Feel Feelings" entwarf sie ein strenges Klangkorsett zwischen Lo-Fi und Dream Pop.
Hier läuft die Zeit langsamer als an anderen Orten. Soko perfektioniert 2020 die Langweile wie nur wenige. Sie klingt, als wäre ihr nichts egaler, als ihr eigenes Album. So legt sie einen Filter über ihre Songs, dämpft den Schmerz, den Verlust, das Leid ebenso wie die Freude und die Selbstliebe, die sie in ihren Texten wieder finden. Das Wesentliche der Songs führt so zu einer eigentümlichen Klarheit.
Diese ging aus dem Wunsch hervor, Gefühle wieder deutlicher zu erleben. Festgefahren im eigenen Leben zog sich die Französin eine Woche in ein Hoffmann Institut zurück. Deren Hoffman-Quadrinity-Prozess lässt sich durchaus kritisch sehen. Stéphanie Sokolinski nahm jedoch für sich so viel Kraft mit, dass sie diese in die nächsten achtzehn Monate und in "Feel Fellings" steckte.
Die Inspirationsquellen Charlotte Gainsbourg und Cat Power sind allgegenwärtig. Deutlich mehr orientiert sich Soko an der Musikgeschichte ihres Mutterlandes. In "Blasphémie" singt sie erstmals auf französisch, garniert den Sound mit "Histoire De Melody Nelson"-Anleihen. Erst in dieser Schönheit aus tiefem Basslauf, trägem Schlagzeug, flauschiger Gitarre und einem Refrain wie eine Spiralrutsche fühlt sich ihre Stimme wirklich daheim. Ein Schmackofatz für jede*n Frankophile*n. Bitte davon ein ganzes Album.
In "Being Sad Is Not A Crime" fügt sie dem Konzept vorsichtig ein wenig Al Green-Soul hinzu. Das geschmackvoll verträumte "Are You A Magician?" weist Parallelen zum Air-Klassiker "Moon Safari" auf, doch findet mit Sokos wechselhaftem, teils recht sprödem Gesang einen eigenen Ansatz.
Charmant untermalen Basslauf und ein vielfarbiger Synthesizer in "Oh, To Be A Rainbow!" die vor Selbstbewusstsein strotzende Feier ihrer Homosexualität. "Oh my pillow princess / Lay down and watch how I do it to you / You will never go back to the other side / You're a rainbow now." Das versonnene "Hurt Me With Your Ego" und somit "Feel Feelings" endet - Kitschalarm! - mit dem Herzschlag ihres noch ungeborenen Kindes.
In der Zusammenarbeit mit Gästen wie Patrick Wimberly (Charlift), James Richardson (MGMT), Colin Caulfield, Andrew Bailey (DIIV) und Sean Lennon entstand ein Album wie ein endloser Strandtag. Eine verschwommene Momentaufnahme, die erst mit Abstand langsam zu wirken beginnt.
1 Kommentar
Schön melancholisch manchmal, aber auch hin und wieder verspielt kindlich. Soko zu hören ist immer ein Freude für die Sinne.
Für mich locker unter den Top 3 Alben des Jahres