laut.de-Kritik
Auf den Indie-Pop-Spuren von Phoenix.
Review von David HutzelSoma, so heißt die Wunderdroge, die den Menschen in Aldous Huxleys Roman "Schöne neue Welt" die Fähigkeit des reflektierten Handelns nimmt. Dieser Thematik haben sich schon die Smashing Pumpkins und die Strokes mit jeweils einem Song angenommen. Von Anfang an in einen großen Kontext stellt sich also jene südfranzösische Band, die sich den selben Namen gibt.
Viele Fragen wirft dagegen der Titel ihres zweiten Albums auf: "Nobody's Hotter Than God" – da beginnt wohl nicht nur der blasphemisch veranlagte Indierock-Hörer im ersten Moment zu zittern. Doch keine Bange: Die Vier von der Cote D'Azur spielen keine Musik für die Messe am Sonntagmorgen, sondern vielmehr astreine Gitarrenmusik.
So simpel wie sie im Buche steht - irgendwo zwischen Postpunk und Pop, zwischen Strokes und Gitarrenlines mit Daft Punk-Touch. Paradebeispiel hierfür gleich der zweite Track "Roller Coaster" – nach dem der mit Ukulele untermalte Opener "Silver Spleen" zunächst so gar nicht ins typische Klangbild passt.
Auch wenn die epischen Momente auf dem Album rar gesät sind: Für das ein oder andere mitnehmende Stück sind Soma immer gut. Oft fiebrig und fahrig, immer ruhelos: "Henry VIII" mit seinem gewichtigen Namen definiert die Marschrichtung. Die meiste Zeit klingen Soma geradlinig und schnörkellos – sowohl was Songstrukturen als auch Produktion angeht.
Doch der Horizont ragt dann doch noch etwas darüber hinaus: Die The Cure-Hommage "Nowhere Fast" mit ihren Echo-Gitarren, der straighten Bassline und den mehrdimensionalen Vocals lässt das erahnen. Ganz schön glamourös. In eher smoothes Gewand hüllt die brummende Bassgitarre den Track "Letters To Unwrite". Ein Beweis, dass auch Gitarrenmusik die Tanzwut wecken kann.
Der Glaubenskontext wird - das rechtfertigt vielleicht den Albumtitel - schließlich doch noch angesprochen. Zumindest marginal. Doch schon in "MLK's Carol" geht es den Franzosen nicht um Glaubensbotschaften, sondern wohl eher darum, den Kern der Geschichten für sich selbst noch einmal neu zu verarbeiten.
"Brother I swear I'll talk to you later / A common lie undercovered" - "Mourning Cain" handelt von einem Familienkomplex. Das Stück fällt ganz und gar aus dem sonst wie in Stein gemeißelten, geradlinigen Soundrahmen. Nur mit Piano und fragiler Stimme gibt sich Sänger Lionel gut eineinhalb Minuten zufrieden, bis der Track in die Tiefen Keanes abtaucht.
"Wir lieben Indie, aber wir lieben und stehen auch auf klassischen Pop", sagt der Frontmann. "Nobody's Hotter Than God" erfindet diese Pop-Musik natürlich nicht neu. Doch mit minimalistischer Prämisse und frankophon-cheesigem Touch, fahren Soma über die gesamte Albumlänge von knapp 35 Minuten recht gut. Und wer weiß, vielleicht sind Phoenix ja nicht mehr lange der einzige französische Gitarren-Export. Das Englisch des Soma-Sängers ist jedenfalls vorzeigbar.
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