laut.de-Kritik
Die Fantasie dieser Frau schlägt Purzelbäume.
Review von Magnus HesseMit einer entrückten Fingerpicking-Figur entführt Sophie Hunger den Hörer bereits im eröffnenden "Supermoon". Ein trister Einstieg, der die Weichen für ein tristes Album stellt. Bei der Ausgestaltung ihres vierten Langspielers demonstriert die Schweizerin ein ums andere Mal ihre Wandlungsfähigkeit und versieht jeden Song mit anderem Effet.
"Mad Miles" legt sich über einen flächigen fast Chromatics-ähnlichen Synthie-Teppich mit shoegazigem Gitarren-Beiwerk und verwegenem Solo. "Love Is Not The Answer" zuckt und zappelt zum Ton angebenden Bassmotiv und retroesker Orgel etwas vor sich hin. Flippig geht es auch in "Superman Woman" weiter, das etwas zu ziellos gerät und sich nicht zwischen mexikanisch anmutender Blaskapelle und einem Gospel-Chor entscheiden kann. Bereits hier wird deutlich, welche Purzelbäume die Fantasie der jungen Dame schlägt.
Die mehrere Sprachen beherrschende Sängerin wechselt dann in "Die Ganze Welt" mal eben zu deutsch. Allein die Zeile "ich spreche leise mit ner zerbrochenen Fensterscheibe" lässt einem das Herz zu einem frostigen Klumpen gefrieren. Sperrige Instrumentals mit fernem Klavier, sprödem Gitarren-Sound und allerlei sphärischem Noise bilden die Klang-Fassade, vor der Hunger ihren Gesang ausbreitet. Ein Stück, wie der Schorf einer gerade geronnenen Wunde.
Kleine experimentelle Sperenzchen lassen das Ganze zuweilen abstrakter erscheinen, als es eigentlich ist. "Supermoon" bezieht auch immer ein kleines Streicher-Ensemble mit ein. Dabei bestätigt jedes zweite Mainstream-Album, das besagte Orchesterinstrumente misshandelt, welchem Drahtseilakt dieses Unterfangen gleichkommt.
Die versierte Multi-Instrumentalistin und ihre Band bestehen die Feuerprobe allerdings mit Bravour. Anstatt zu Schwulst zu verkommen bereichern diese Stellen etwa in "Fathr" ungemein das Klangbild und halten nicht nur als Keyboard-gesteuerte Füllmasse her.
Nach dem wenig stringenten und etwas zu durchwühlten "The Age Of Lavendel" folgt mit "La Chanson d'Helene" wieder ein mit viel Fingerspitzengefühl inszenierter Titel. Schlicht intoniert mit gedämpftem Piano wiegt sich die in Watte gehüllte Stimme Hungers im lauen Wind. Man hält gebannt den Atem an bei dieser elegischen Nummer, zu der sich klamme Kammer-Streicher gesellen.
Nicht nur aufgrund des französischen Flairs erinnert das akustische Kleinod an Hungers grandiose Adaption von "Le Vent Nous Portera". Und gerade in dieser Intimität liegt auch die größte Stärke dieser überaus begabten Frau, der man ihre Filmmusikerfahrung gerade dann so anmerkt.
Nichts läuft bei alledem nach Schema F ab, sondern wird stets originell und unerwartbar aufgezogen. In "Heicho", das auf einen trip-hoppigen Beat aufsetzt, wird schließlich auch noch das schweizerisch ausgepackt - und wie. Über den ätherischen Chor im Hintergrund rappt Sophie gekonnt. Der Anstrich steht ihr nicht nur absolut, sondern tönt in der Bridge sogar auch kurz nach Portishead.
Schließlich entlässt den Hörer das zerbrechliche "Queen Dritter". Darin stülpt Hunger dem sinistren Klavier mit matter Stimm-Farbe ihren zarten Stoßgesang über, den sie so entschieden und doch zurückgenommen in jede Silbe legt. Am Ende steht da kein sonderlich homogenes Werk, was aber zu keinem Zeitpunkt stört oder ablenkt. Viel mehr beweist dieser Facettenreichtum, in wie vielen Sprachen sie handgemachten Pop denkt. Musikalisch wie lyrisch.
9 Kommentare mit 3 Antworten
♥
Schrecklich. Diesen verkopften Mist würd ich mir nicht mal anhören wenn es die letzte Musik auf Erden wäre. Für mich absolut unverständlich wie man sich so was geben kann.
Dein Verlust...
Hab mir das Album neulich gegeben. An sich ganz gut, nur störte der deutsche Song ziemlich.
Kandidat für das Album des Jahres.
YES!
Liebi Sophie. Super Musig wo du da mal weder gmacht hesch, aber du bisch ja sowieso die bescht! Endi Mai bini a dim Konzi gsi in Züri gsi, das isch au mal weder mega cool gsi! So ich gane jetzt chli go Wasser us de Limmat trinke..
Anstrengend ist Sophies Musik sowieso. Nichts eingängiges oder gefälliges. Aber es lohnt sich, sich hinein zu hören.