laut.de-Kritik

Das schrägste Duo der Popgeschichte gibt nicht auf.

Review von

Ron Mael ist ein Affe! Gibts nicht? Gibts wohl, nämlich auf dem Cover der neuen Sparks-Platte. Was sogleich die Frage aufwirft, an der sich Kritiker seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißen: Existiert überhaupt irgend etwas, was es im Universum des schrägen Duos nicht gibt (auch wenn der Affe leider keinen Schnurrbart trägt)?

In der kollektiven Erinnerung hierzulande ausgerechnet mit der halbgaren Hitsingle "When Do I Get To Sing 'My Way'?" von 1994 verankert, lassen sich die Gebrüder Ron und Russell Mael seit 1972 in keine Schubladen pressen. Glam, Orchester-Pomp, Neo-Klassik-Pop, Rock-Avantgarde, Dancefloor-Trash, Musical-Extravaganza; kein Wunder, dass sowohl Mike Patton als auch Jimmy Somerville die US-Band verehren.

Woher aber die stets für Briten gehaltenen Sparks auch auf Album Nummer 21 die Leichtigkeit nehmen, Worte aneinander zu montieren, aus denen in ausgeklügelten Kurzgeschichten die alltäglichsten wie absonderlichsten Situationen sprechen, bleibt einmal mehr schleierhaft. Es muss die Erfahrung sein. In jedem Fall ist es Kunst. Oder welch anderer Falsetto-Sänger findet seinen Widerpart in einem Zeremonienmeister orchestralen Akkord-Irrsinns?

Musikalisch mag "Exotic Creatures Of The Deep" nicht ganz an die unangekündigte Wucht des Vorgängers "Hello Young Lovers" (2006) heranreichen. Dennoch stehen die Alben konzeptionell in einer Reihe.

Ganz zweifellos zählt "Good Morning" zu den besten Sparks-Tracks der jüngeren Vergangenheit. Rons infektuöser E-Piano-Beat bereitet den Boden für Russells gallige Selbstanalyse nach einem One-Night-Stand: "Good Morning / I'm thinking / I must have / been drinking / And said something clever / it must have been the best line of me ever."

Vermessen zu glauben, dass das musikalische Zuckerbrot im Verlauf der Platte brav weiter serviert wird, wo die Sparks'sche Parallelwelt doch stets nur in Kombination mit der Peitsche mundete. Als anstrengend darf man daher trotz allgegenwärtigem Ironie-Impetus durchaus den rockistischen Refrain von "Strange Animal" bezeichnen. Unbedarfte wenden spätestens bei der schizoiden Piano-House-Endlosschleife "Let The Monkey Drive" angewidert den Kopf ab.

Und doch hält der Parforceritt durch die eigene Stil-Historie lyrische Momente bereit, die ansonsten höchstens ein Morrissey zu Papier bringt. Nicht zufällig erhält der langjährige Sparks-Fan nun selbst ein Denkmal von den Maels, und über die Art und Weise dürfte sich der Exzentriker königlich amüsieren.

Russell beklagt, dass ihm seine Morrissey verfallene Freundin den Sex verweigert, seinen Fleischkonsum tadelt, Sporteinladungen ausschlägt und schließlich sogar seinen Intellekt kritisiert. Da kanns nur ein Urteil geben: "Lighten Up, Morrissey" ("Werd endlich locker, Morrissey").

Außerdem gelungen das Anti-Lovesong-Pamphlet "I Can't Believe That You Would Fall For All The Crap In This Song" sowie "I've Never Been High", das die Erfolgssucht der Pop-Jetztzeit zum Thema hat.

Fazit: Es bräuchte mehr solcher Affen im Pop-Business. Und komm mir jetzt keiner mit den Arctic Monkeys. Richtig durchgeknallte Affen. Die mit den elementaren Fragen: "An emotional core / ain't that what songs are for?"

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Good Morning
  3. 3. Strange Animal
  4. 4. I Can't Believe That You Would Fall For All The Crap In This Song
  5. 5. Let The Monkey Drive
  6. 6. Intro (Reprise)
  7. 7. I've Never Been High
  8. 8. (She Got Me) Pregnant
  9. 9. Lighten Up, Morrissey
  10. 10. This Is The Renaissance
  11. 11. Director Never Yelled 'Cut'
  12. 12. Photoshop
  13. 13. Likeable

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