laut.de-Kritik
Pech, wer nicht achtjährig genug ist.
Review von Yannik GölzEs gibt eine Spongebob-Folge, die all diese CDs genaustens vorhergesagt hat: In "Der Krosse Schwamm" bemerkt Mr. Krabs den unglaublichen Marktwert seines Burgerbraters und beginnt, die ganze Krosse Krabbe mit Schwamm-Merchandise auszustaffieren. Spongebob-Burgersoße, Spongebob-Servietten, Spongebob-Kostüme, an was immer man ein Preisschild heften kann, es trägt fortan Schwammkopf-Farben. Schließlich verwandeln die gelb-geschimmelten Spongebob-Buletten alle Gäste in Spongebob-Zombies, trademarked by Nickelodeon. Während dort also Bob-farbene Untote durch die Unterwasserstadt wanken, hätte sehr gut auch das "Schwammtastisch"-Album aus dem Radio tönen können. Bei aller Liebe zu Bikini Bottom setzt dieses Album den Hirntod nämlich etwas zu sehr voraus.
Der beste Witz auf "Schwammtastisch" besteht darin, dass der inzwischen fast siebzigjährige Synchronsprecher Santiago Ziesmer über einen Drill-Beat von Shirin David rappt. Nicht, dass "90-60-111" irgendetwas Witziges mit dem Ausgangsmaterial macht. Wie fast alle Songs hier setzt es sich damit kaum bis gar nicht auseinander. Aber tritt man einen Schritt zurück und überlegt, dass Shirin im Original Sachen wie "Dirty white bitches (Nah), Mercedes-Benz whippin (Uh)" sagte, dann sind Spongebobs Raps über eine Krabbenburger-Hotline schon ein schmunzelbarer Take auf die klaffende Absurdität der Welt.
Diese Übertragungsarbeit muss man leisten, wenn man das Album genießen will. Wer nicht achtjährig genug ist, um die alleinige Präsenz von Spongebobs Stimme als wahnsinnig unterhaltsam zu empfinden (dem Autor gelingt es etwa die Hälfte der Zeit), bekommt wenig angeboten. Der Songwritingprozess besteht darin, eine Zeile auf das griffigste Metrum des Refrains zu schreiben und dann einen extrem banalen Plot daraus zu entwickeln. Wir bekommen scharfes Essen für "Savage Love" von Jason Derulo, ein Song über Spongebobs Schuh statt "Blue (Da Ba Di)" von Eiffel 65 und eine Hymne an den Feierabend statt "Jerusalema". Klar, der Serien-Cast bleibt knuffig wie Sau, aber zumindest die ein oder andere Pointe hätte diesen Nummern echt nicht geschadet.
Ansonsten: Joa, nech? Im Vergleich zu vorigen Spongebob-Alben ist das "Mein Gott Jochen, jetzt schreib halt schnell noch 'nen Text, so gut muss der auch nicht sein"-Gefühl hier noch etwas stärker. Auch den Grip zur Popmusik haben die Macher des Albums irgendwie verloren. Drill, Trap und Dancehall sind Genres, die nicht so wahnsinnig harmonieren und wenn Spongebob seelenlose Texte über seelenlosen Radio-EDM singt, marodieren nur Kindheitserinnerungen, in denen Schwamm samt Stimme noch kein seelenloses Unterfangen der Nostalgie-Monetarisierung war. Gab es nicht genug Popsongs mit etwas sofortiger einschlägigen Hooks, die hier hätten verwertet werden können?
Der schlimmste Moment kommt übrigens auf dem "Roller"-Remix "Aftershave Kommt Gleich". Da geht es darum, dass Spongebob Sandys Fell rasieren will und sie nicht so viel Lust darauf hat. Wer auch immer es für eine gute Idee hielt, das letzte Drittel der Nummer komplett damit aufzufüllen, Spongebob aufdringliche Sachen sagen zu lassen, während Sandy ächzend und stöhnend versucht, sich zu wehren, hat mehr als nur Kindheiten ruiniert.
"Schwammtastisch" ist der nächste Merchandise-Artikel in einer langen Tradition von überlizensierter Franchise-Ausschlachtung. So können sich ernste Spongebob-Ultras fachgerecht mit Spongebob-Kappe, Spongebob-Shirt, Spongebob-Rucksack, Spongebob-Schlagstock und Spongebob-Handfeuerwaffe in Schale werfen, bevor sie den Zug in die Nachbarschaft nehmen, um sich mit Cosmo & Wanda-Fans zu prügeln und dabei gleichzeitig "Idiotenfreunde" und Apache 207-Beats auf den Ohren haben. Was für eine Zeit, um am Leben zu sein.
19 Kommentare mit 29 Antworten
Wow. Blasphemie, Yannik! SpongeBob-Army, holt ihn euch!!
Also dieserYannik, ich muss sagen, ich hab dich hier bisher auch öfter mal gegen den ein oder anderen überzogenen Kommentar verteidigt. Aber das ist jetzt wirklich schon 'ne ziemlich heftige Nummer. Ich muss das erstmal verdauen.
Ist nicht mehr zu verteidigen, geht einfach nicht. Diese Reviews sind nicht lesbar und einfach nur peinlich.
Zur Klarstellung: Mein Post war nur darauf bezogen, dass Yannik den hier schon seit Jahren gewürdigten Ausnahmekünstlerstatus Spongebob Schwammkopfs frevelhafterweise nicht anerkennt. Am anderweitigen Gebashe möchte ich mich hier nicht beteiligen.
Also in letzter Zeit hab ich's nicht so mit Urheber*innen gerne wiederholt herausgekramter Zitate, aber:
"Once we stop being a child we're being dead already", anyone?
Fand ihn zu Lagerfeuerliedlied-Zeiten noch greifbar. Das ist schon ziemlich abgehoben. Spacerockoper UND Field-Recordings? Ich weiß ja nicht.
Adrian Younge kriegt für hingerotzte Propaganda 5 Sterne und der legendäre Ehrenschwamm geht mit nur 2 Sternen nach Hause? Da versteht man doch die Welt nicht mehr!
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die absolut traumhafte Spongebob Thaddäus Klassik-Kollabo aufmerksam machen. Nicht auszumalen, was dabei herumkäme, wenn es diese beiden Freigeister nur längere Zeit miteinander im Studio aushielten.
https://www.youtube.com/watch?v=rHH8MoriyGc