laut.de-Kritik

Warme Momente im sonst so kalten Norden.

Review von

In Richtung Norden entführen uns die Stars aus Montreal mit ihrem inzwischen sechsten Album. Und nicht nur geographisch gesehen geht es für die Band nach oben: Im Vergleich zum Vorgängeralbum scheinen sie ihr Gespür für große Melodien auf "The North" wieder gefunden zu haben. Nicht, dass von "The Five Ghosts" nichts im Ohr hängen geblieben wäre - mit altbewährtem Rezept warfen sie auch 2010 musikalische Anker aus. Wenn auch klitzekleine Segelboot-Anker.

Ob der neue Langspieler zum großen, nordischen Eisbrecher avanciert? Schließlich wartet das Artwork mit allen möglichen Monumenten auf - eisige, weite Berglandschaften oder das Olympiastadion Montreals.
Der Opener "The Theory Of Relativity" beginnt da eher unerwartet munter: Ein stampfender Beat leitet eine Synthiepop-Nummer ein. Sänger Torq Campbell schwelgt in lyrischer Nostalgie zu einer knarzigen Bassline und einigen Riffs im Rücken.

Mit merklich prägnanterer Gitarre und durchdringendem E-Bass geht es in "Backlines" weiter. Die sanften Drums und der alleinige Gesang Amy Millans lenken Blick und Hör-Organ hinüber nach Toronto - zu den Landsmännern von Metric. In typischer Stars-Manier dagegen versprüht der Titeltrack "The North" Melancholie. Campbell tritt als balladenhafter Erzähler auf und sehnt mit berührenden Zeilen die bisweilen atmosphärische Stimmung herbei: "Sleep is my friend / and my rival (...) / It's so cold in this country / you can never get warm". Und ob, lieber Torq: Nach diesem dritten Track ist es durchaus möglich, mit der Platte sachte warm zu werden.

Nicht nur in der Namensgebung massiv ist "Hold On When You Get Love And Let Go When You Give It" geraten. Der Koloss lässt wenig anderes zu, als direkt voll Tatendrang auf die Tanzfläche zu stürzen. Euphorisch peitscht das Stück nach vorn und wenn Millan zum hymnenhaften Refrain ansetzt, haben einen die Stars wieder im Griff. Genau so einfach stecken sie einen sonst nur noch mit ihrem dialogartigen Gesang in die Tasche. Selten gibt es Stimmen, die so spielend in eine harmonische Symbiose übergehen. "Do You Want To Die Together" beschwört erneut einen Frage-Antwort-Gesang, instrumental zuerst verspielt mit 50er-Jahre Rockgitarre, bevor die Nettigkeit des Lieds dann am ausufernden, mächtig schwingenden Refrain zerbirst.

"Walls" wirkt märchenhaft, Campbell schwebt erzählend inmitten eines Waldes aus sphärischen Klängen. Ein rauer Bass und E-Drums werden im Refrain hackender Teil der Konstruktion und bilden einen wohl dosierten Gegenpol zum Gesang. Das mystische Zusammenspiel baut sich bis zum Schluss auf, und wird zum astreinen Elektropop-Track. Wermutstropfen: Das Ende ist leider viel zu unscheinbar. Trotzdem bleibt es einer der besten Tracks des Albums.

Als "The North" dann nach einem fast unbemerkten Fade-Out verstummt, stellt sich Zufriedenheit ein. Keine Totalausfälle, selbst wenn sich über einige Tracks streiten lässt. "Progress" ist durch und durch weich und ohne Kanten, bei "The 400" wird man zwangsläufig an das erinnert, was Death Cab vor Jahren besser hinbekommen haben. Selbst wenn die großen Barock-Pop-Nummern Kanadas inzwischen nicht mehr von den Stars, sondern von Arcade Fire geschrieben werden: Im höchsten Norden lodert nach wie vor eine kleine, aber wärmende Flamme.

Trackliste

  1. 1. The Theory Of Relativity
  2. 2. Backlines
  3. 3. The North
  4. 4. Hold On When You Get Love And Let Go When You Give It
  5. 5. Through The Mines
  6. 6. Do You Want To Die Together?
  7. 7. Lights Changing Colour
  8. 8. The Loose Ends Will Make Knots
  9. 9. A Song Is A Weapon
  10. 10. Progress
  11. 11. The 400
  12. 12. Walls

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