laut.de-Kritik
Gemütlicher Indie-Rock für die Eckkneipe.
Review von Olaf SchmidtMenschen werden von der Zeit geprägt, in der sie leben und aufwachsen. Noch viel stärker als für den Durchschnittsbürger gilt das für Künstler und ihre Werke.
Auf der anderen Seite aber leben wir in Zeiten der Postmoderne - und da gehört das Wildern in vergangenen Epochen quasi dazu. Der Punkt: Hört man sich die neue Stephen-Malkmus-Platte an, fühlt man sich unweigerlich an die Neunziger erinnert. Auch, wenn er im Text zu "Lariat" skandiert: "We grew up listening to the music from the best decade ever" - und damit offenbar die Siebziger meint.
Die Art und Weise seines Songwritings und Gitarrenspiels verwurzeln ihn jedoch stets im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts. Da kann er soundmäßig noch so oft in den späten Sechzigern oder der anschließenden Dekade herumwühlen.
Dort bedient er sich allerdings reichlich und oft. Gibt man Malkmus eine Blumenwiese voller musikalischer Einflüsse, wird er sich einen dicken, sehr dicken, Strauß zusammenpflücken. Das kann man ihm kaum verdenken, wenn dabei so unterhaltsame und entspannte Songs wie auf "Wig Out At Jagbags" herauskommmen. Kann ein Album relaxter als mit "Planetary Motion" anfangen? Und waren Malkmus-Songs immer schon so düdelig - im positiven Sinne?
Der Ex-Pavement-Fronter und seine Jicks haben vor den Aufnahmen jedenfalls literweise Entspannungssaft getrunken und mäandern geschmeidig durch die neuen Lieder. Mehr denn je steht die Band im Vordergrund, was den Songs nur gut tut.
Auch die neue Platte lässt sich dem Indie-Rock zuordnen, aber der Pop sitzt jeder einzelnen Nummer gewaltig im Nacken. Die Duh-Duh-Duhs in "Houston Hades" sprechen eine deutliche Sprache - und trotzdem eine sanfte. Bei "J Smoov" ist der Name Programm, ein ganz hervorragendes Stück vertonter Lässigkeit.
Die Ironie trieft aus allen Poren. "Come join us in this punk rock tune", singt Malkmus in "Rumble At The Rainbo" und untermalt diese Zeilen mit netter Rockmusik, die den Zug nach Punkrockland leider verpasst hat, dafür aber in der gemütlichen Kneipe um die Ecke gelandet ist - und da nach drei großen Bieren zurückgelehnt mit der Hausband jammt.
Textlich schwebt Malkmus ohnehin auf seiner eigenen Wolke. Irgendwo zwischen persönlichen Betrachtungen zwischenmenschlicher Dinge, großem Erzählertum, abstrakter Assoziationskunst und komplettem Unfug schreibt er genau die Texte, bei denen man bewusst zuhört. Das trifft auch auf "Cinnamon And Lesbians" zu: "I've been trippin' my face off since breakfast." Nebenbei bemerkt geht der Song als einer der flotteren Rocker durchs Ziel.
Weil ihm das alles noch nicht sonnig genug ist, beschließt Malkmus schließlich in "Surreal Teenagers": "I'd like to move to Micronesia with my manservant John." Gute Reise, Mann. Schick ruhig alle paar Jahre ein neues Album rüber.
1 Kommentar
Den hatte ich irgendwie gar nicht mehr auf'm Schirm, bin jetzt bloß durch die Rezension wieder drauf gekommen. Und ich muss sagen: Vielen Dank dafür.
Ich bin richtig angetan von dem Album, ein großes Vergnügen ist das.