laut.de-Kritik

Ein Plädoyer für die Nostalgie.

Review von

"Maybe there's beauty in the pain." Was sich liest wie das Lebensmotto eines hoffnungslosen Masochisten, beschreibt den Geist im Hause Story Of The Year ziemlich treffend. Mehr denn je huldigt die Comeback-Platte dem Weltschmerz der jungen Jahre samt aller intensiv erlebten Höhen und Tiefen.

Dafür brauchen die Jungs aus St. Louis keine Anlaufzeit. Ein akustisches Vorspiel gibt der Form halber die Melodie vor, dann versetzt uns ein wuchtiges Gitarrenriff prompt zurück in die Blütezeit von Emo- und Post Hardcore gegen Ende der 2000er Jahre. Textlich schlachten die Amerikaner die Identitätskrisen ihrer Jugend aus, musikalisch servieren sie mit dem Titeltrack gleich ein Hitmonster. Da steckt so viel drin: Knaller-Chorus, wüste Shouts und vor allem eine unbändige Energie.

Über allem schwebt die Nostalgie als alles überstrahlendes Stilmittel. So sinniert das eingangs zitierte "Real Life" etwa über die Kraft und Schönheit jugendlichen Leichtsinns. Klar wirkt das irgendwie konstruiert. Schließlich haben alle Bandmitglieder die 30 weit überschritten. Doch das Lebensgefühl von damals scheint ihnen weiter innezuwohnen. Zumindest wächst dieser Eindruck äußert authentisch. "You and I are suicide": Gefangen in einer toxischen Liebesgeschichte fühlt sich das Protagonisten-Pärchen, entgegen aller Vernunft tief verbunden im Kampf gegen den Rest der Welt. In der Umsetzung klingt die Romanze wahnsinnig erfrischend.

Die Ambivalenz zwischen Schmerz und Schönheit, erweist sich als Motor des gesamten Albums. In diese Kerbe schlägt auch "Take The Ride", das in einem Anflug von Freiheitsliebe alle unheilvollen Vorzeichen ignoriert: "Fuck all the red flags! I don't know, where I'm going", geht es unbeschwert gen Sonnenuntergang. All diese Bilder erwachen auch dank Dan Marsalas jung gebliebener Stimmfarbe so glaubhaft zum Leben. Bands wie Silverstein oder A Day To Remember haben ein ähnliches Faustpfand in ihren Reihen.

Was wäre die rebellische Teenager-Zeit ohne angestaute Wut? "Dead And Gone" oder auch "Knives Out" lassen jedenfalls mächtig Dampf ab. Zwischen entfesseltem Gebrüll und bratenden Gitarren erinnern sich Story Of The Year hier spürbar an ihre Wurzeln im Hardcore. Das Repertoire der Amerikaner deckt viele Facetten ab, pendelt zwischen Pop-Punk und Metalcore, ohne dabei zu verkrampfen. Dafür steht die bockstarke Laut-Leise-Dynamik in "Can't Save You" exemplarisch. Dosiert schlagen Elektro-Samples die Brücke zur Gegenwart ("War").

Die Überzeugungskraft leidet einzig unter den leiseren Tönen. Egal ob Halbballade ("2005"), Vier-Akkord-Filler ("Sorry About You") oder Rausschmeißer ("Use Me"): Diese Tracks zeigen zu wenig Raffinesse, um an die Energie der übrigen Nummern anzuknüpfen. Im Gegenteil, Story Of The Year verfallen diesmal einem verklärten Ideal der Vergangenheit. Es lässt sich eben nicht jedes Gefühl rekonstruieren.

In Summe schlagen sich die Jungs aber erstaunlich gut bei ihrem Plädoyer für die Nostalgie. "Tear Me To Pieces" bleibt eine Hommage an den Moment, auch wenn dieser weit zurück, in einer anderen Zeit liegt. Das Gefühl in dieser Lebensphase war intensiv, der Nachhall hält sich in Grenzen. Besser ließe sich der Geist der Jugend wohl kaum abbilden.

Trackliste

  1. 1. Tear Me To Pieces
  2. 2. Real Life
  3. 3. Afterglow
  4. 4. Dead And Gone
  5. 5. War
  6. 6. Can't Save You
  7. 7. 2005
  8. 8. Sorry About You
  9. 9. Take The Ride
  10. 10. Knives Out
  11. 11. Use Me

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