laut.de-Kritik
Auch ein Held durchläuft eben das ein oder andere Tief.
Review von Lukas RauerLangjährige Trailerpark-Fans durchlaufen dieser Tage womöglich ein Déjà-vu. Drei Releases in einem Jahr gab es bei dem Bielefelder Label zuletzt 2015. Damals war die Release-Reihenfolge eine andere, aber es waren ebenfalls neue musikalische Schandtaten von Timi Hendrix, Alligatoah und Sudden. Suddens "Superkräfte" war seinerzeit der passable Versuch eines möglichst facettenreichen Albums. Dieser Formel weitestgehend treu bleibend, ergreift er ein weiteres Mal seine Maske.
Zu einem waschechten Superhelden gehört ein pseudo-dramatischer Auftritt. Auf dem Titeltrack, der gleichzeitig das Intro darstellt, inszeniert er daher samt Kinderchor sein Comeback und postuliert: "War nie wirklich weg, nur etwas bekifft." Dass seine Anhänger in der Zeit des Wartens "Tiere geopfert", "Kriege geführt" und das "Klima erwärmt" haben? Überschaubare Kollateralschäden.
Wenn es brennt, ist Super-Sudden jedenfalls zur Stelle. Und folglich entgeht ihm nicht die politisch angespannte Situation in hiesigen Gefilden. Mit "Schwarz Oder Weiß" liefert er einen Trailerpark-liken Beitrag zum bestehenden Diskurs zwischen Rechtspopulisten und dem restlichen Teil der Gesellschaft. Humoriger und lockerer als es ein Disarstar je machen würde. Passender ist unter Umständen ein Vergleich mit den aktuellen Projekten von Neonschwarz.
Sudden konstruiert allerlei abstruse Probleme und argumentiert aus der Sicht eines wirklich klischeehaften Hartz-IV-Empfängers, was in der Gesellschaft alles verkehrt laufe. Damit zieht er solche Ansichten aber nicht nur ins Lächerliche, sondern zeigt auch, dass er sie für ziemlich kleingeistig hält. Infolgedessen erklärt Sudden die Message des Songs bereits am Anfang: "Eyo! Das ist ein Riesen-Fickfinger gegen alle AFD-Anhänger, gegen alle 'Besorgten Bürger'. Ich hab' eure Dummheit mal ins Deutsche übersetzt, ihr Wichser!"
Ob sich "Sterben lohnt", eruiert er auf "Willst Du Mit Mir Gehen?" - einer Liebesgeschichte der etwas anderen Art. Eine Frau (in der ersten Strophe) und ein Mann (in der zweiten) wollen unabhängig voneinander Suizid begehen. Im Laufe des Songs zählt Sudden eine Vielzahl von Gründen auf, weshalb die beiden ihren Lebenssinn anzweifeln. Die Aufzählungen enden jeweils damit, dass sich die thematisierte Person auf ein Gleis legt und auf einen einfahrenden Zug wartet, "denn auf die Deutsche Bahn ist Verlass." Manch einer erkennt den ironischen Unterton.
In der dritten und letzten Strophe verknüpft Sudden schließlich ihre Schicksale und die Quintessenz des Songs kristallisiert sich heraus: Die Protagonisten entdecken sich und beschließen, fortan gemeinsam weiterzuleben. Einerseits kitschig, andererseits morbide. Auch dieser Track klingt erheblich positiver als es die Thematik eigentlich hergibt. Nach diesem Storyteller weicht die bis dahin überwiegend positive Atmosphäre einer etwas trübsinnigeren. Dies spiegelt sich in Klang und Text wieder. Auch ein Held durchläuft eben das ein oder andere Tief.
So gibt sich Sudden in "Freund" und "Goodnight Gotham" niedergeschlagener und ohne allgegenwärtiges Augenzwinkern. Fans von Batman finden daran eventuell Gefallen, trotz dürftiger Referenzen an den dunklen Ritter. Die düstere Atmosphäre der Welt des Bruce Wayne münzt er gut auf Alkohol- und Identitätsprobleme um. Auch wenn er neben der titelgebenden Stadt lediglich Harley Quinn, den Joker und Poison Ivy erwähnt. Allesamt in der zweiten Strophe und ohne den Inhalt nennenswert voranzubringen.
Asozialer Antiheld oder doch bejubelter Weltverbesserer? Sudden legt sich, ähnlich wie auf "Superkräfte", nicht fest und entscheidet sich für einen Mittelweg. Seine beiden jüngsten Werke unterscheiden sich neben der Themenfindung darin, dass er "Ihr Braucht Mich" mit Autotune bedachte, gänzlich auf Sidekicks verzichtete und nur 13 Songs präsentiert. Obendrein klingt es nicht ganz so energiegeladen. Nüchtern betrachtet fehlen Tracks wie "Probier Mal Diesen Schmetterling" oder Hooks wie in "Scherben". Wesentlich lebt das Album von seinem Humor. Im direkten Vergleich mit "Tim Weitkamp Das Musical" und "Schlaftabletten, Rotwein V" wirkt es außerdem schnelllebiger. Nicht ganz so sperrig und kleinteilig.
1 Kommentar
Kein Mensch braucht ein Sudden Album...Wir wollen ein Basti DNP Album!