laut.de-Kritik

Zieh die Legginshose aus!

Review von

"Du Nuttensohn kriegst Bauchkrämpfe", warnt Summer Cem freundlich vor möglichen Nebenwirkungen der Kombination "Sucuk & Champagner". Für eine Konfrontation damit sollte man also besser einen starken Magen mitbringen. Nur konsequent, dass die vollkommen geschmacksbefreite Cover- und Booklet-Gestaltung die größten Zimperliesen gleich aussiebt. Alle, die diese Hürde genommen haben, empfängt Summer Cem mit einer Verheißung: "Ich schwöre: Es wird nichts mehr, wie es einmal war."

Schade, dass sich das recht schnell als leere Versprechung entpuppt. Statt wie auch immer geartete neue Wege zu beschreiten, vertüddelt sich Summer Cem in Altbewährtem. Zum Auftakt fickt er erst einmal "die Szene im Alleingang", "einhundertprozentisch" gar und, wo wir dabei sind, auch gleich "deinen Arbeitslosenarsch" und drei bis sieben gerade verfügbare Mütter, ehe er sich in die üblichen Dealer-Märchen, Räuber-und-Gendarm-Spielchen und Vom-Bordstein-zur-Skyline-Phantastereien versteigt.

"Die Bullen folgen dem Benz, doch ich folg' keinen Trends. Schreib' meine Songs für die Gang." Gute Idee. Außerhalb derer dürfte sich auch kaum jemand brennend für noch eine, noch eine und noch eine Schilderung des überaus aufregenden Wegs vom mittelprächtigen Schüler auf die mittelgroßen Bühnen Rap-Deutschlands interessieren.

Prahlerei und Beleidigungen ziehen eigentlich immer, dürften aber ruhig trotzdem eine Spur origineller als "Summer, die Legende, alle anderen gehen in Rente" ausfallen. Doch wen juckts? Summer Cem jedenfalls nicht: "Ich geb immer noch 'nen Fick drauf, was du Trottel denkst." Na, dann ...

"Dann merkst du schnell: Ohne Geld hast du kein Selbstwertgefühl." Vielleicht liegt genau da das Problem aller dieser Jungs, die so hilflos am Gängelband einer markenfixierten Konsumgesellschaft zappeln: "Para, Money, Kies, alles dreht sich um die Scheine." In einer Welt, die Tag und Nacht nur um die Schwierigkeit kreist, notfalls auch ohne Oxford-English-Kenntnisse zu materiellem Wohlstand zu kommen, kann das Talent zum Geschichtenerzählen leicht verkümmern.

Dabei zeigt Summer Cem dahingehend eigentlich gute Anlagen. In den Augenblicken, in denen er aus dem "Die Knarre macht klick-kläck, deine Zeit ist abgelaufen, tick-täck"-Korsett ausbricht und die schwer strapazierten Gesetze für den aufrechten "Kanakk" einmal zur Seite schiebt, keimt Hoffnung. Die tragische interkulturelle Liebesgeschichte in "Aisha" markiert einen solchen Moment. Oder "Herzrasen": Summer beschreibt hier treffend die meist vergebliche Jagd nach dem Kick.

Mit Ausnahme von MoTrip, der sich in "Immer Noch Hier" als "sagenumwobener Spitter" empfiehlt, und den in doch eher ungewöhnlichen Zungen rappenden und singenden Defkhan und Shaan in "Badshah", treten die üblichen Featuregäste an - und liefern haargenau das, was man sich bei Nennung ihrer Namen vorstellt.

Mit Mentor Eko Fresh und dessen Jammerlappen-Flow setzt Summer Cem wieder einmal einen, den gefühlt tatsächlich 3000. "Anti Garanti"-Aufguss an. In Gesellschaft von Nazar und RAF (inzwischen 3.0) muss Summer Cem - das uralte Lied! - zunächst am Türsteher vorbei, ehe die "Jungs Im Club" feiern dürfen. Zemine steht für klebrige R'n'B-Hooks, Farid Bang holpert sich - dass-das-Schwäche inklusive - durch "Du Weisst Das". Die Seitenhiebe in Richtung Savas und Sido wirken da schon ziemlich verkrampft.

Massiv beschert zum "Streifenwagensound" zwar auch keine Überraschung, macht dafür aber immerhin halbwegs gute Eigenwerbung: "Ich greif' zu meiner Knarre unterm Sitz", nicht jedoch ohne die angemessene musikalische Untermalung: "Schieb' 'BGB' in den Player." Feature dich selbst wie die Hölle, recht so.

Ein Faible für - oder doch zumindest Toleranz gegenüber - Eurodance-Plastiksound sollte schon mitbringen, wer an den Produktionen auf "Sucuk & Champagner" uneingeschränkt Freude haben möchte. Anders lassen sich "Wo Ist Dein Lächeln" (die "Dirty Dancing"-Schmonzette "She's Like The Wind" lässt grüßen), "Herzrasen" oder "Auf Der Jagd" nur mühselig aushalten.

Stellenweise, etwa im Titeltrack, glitscht es böse in Richtung Alleinunterhalter-Keyboard ab - doch irgendeine Schabracke wird schon hohl oder taub genug sein, auch dazu der Aufforderung Folge zu leisten: "Zieh' die Legginshose aus." (Trägt man so etwas heute überhaupt noch?) Meist kriegen die Herren Produzenten die Kurve aber doch. Illkan & Prodycem verpassen "Kanakk" mit hallenden, seltsam verschobenen Bassschlägen und einem verrückt repetitiven Sample einen besonderen Anstrich. Orientalisch tönt es aus "Tick Täck", während sich Fader Gladiator für "Badshah" wohl an Alan Parsons Project und seinem "Sirius" orientiert hat.

Eine gechoppt-gescrewte Zeile hier, ein bisschen Dirty South-Sirup da, Breitwand-Kino für "Streifenwagensound" oder eine rotzige Rock'n'Roll-Gitarre für "Was Hab Ich Davon", zum Abschluss noch einmal hemmungslos und enttäuscht "Weinen" zu Scratches, Piano, Streichern und grausligem AutoTune-Einsatz ... Man muss beileibe nicht alles lieben, das einem da vorgesetzt wird. Die Vielfalt des Klangbilds sorgt jedoch für angenehmen Kontrast zur inhaltlichen Einöde und gebiert dabei durchaus den einen oder anderen Killer-Beat.

Trackliste

Sucuk & Champagner, Baba Edition

  1. 1. Intro
  2. 2. Kanakk
  3. 3. Summer Zu Dem Cem
  4. 4. Du Weisst Das feat. Farid Bang
  5. 5. Streifenwagensound feat. Massiv
  6. 6. Antigaranti 3000 feat. Eko FreshWo Ist Dein Lächeln feat. Zemine
  7. 7. Immer Noch Hier feat. Mo Trip
  8. 8. Herzrasen
  9. 9. Auf Der Jagd
  10. 10. Tich Täck
  11. 11. S U Doppel M
  12. 12. Unbesiegbar feat. Zemine
  13. 13. Badshah feat. Defkhan & Shaan
  14. 14. Aisha
  15. 15. Du Kennst Mich
  16. 16. Sucuk & Champagner
  17. 17. Jungs Im Club
  18. 18. Was Hab Ich Davon
  19. 19. Weinen

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23 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    "Mit Mentor Eko Fresh und dessen Jammerlappen-Flow"

    gleich gehts wieder ab hier ;)

    hab heute mal bei Saturn reingehört, kickt mich aber nicht wirklich. Aber das Pimp-Speckbaby-Cover der normalen Version ist immerhin zigmal geiler als das 0815-Teil da oben von der Baba-Edition(wtf?)

  • Vor 12 Jahren

    Cem hat zwar eine der prolligsten Deutschrapstimmen ueberhaupt (Pluspunkt) und hier und da mal paar lustige Zeilen (@ Sauna-Club / Frau kaputt), aber ein ganzes Album muesste dann auch nicht sein.

  • Vor 12 Jahren

    Da stimme ich Baude zu. Als Feature auf nem Farid Album ganz brauchbar (siehe Sauna-Club / Frau kaputt :D ), ansonsten schon eher nervig...Ihm fehlt halt der ganz große Trash Faktor eines Farid Bang.

  • Vor 12 Jahren

    Das Album könnte statt "Sucuk und Champagner" auch "Knoblauchwurst und Suff" heißen, ich würde trotzdem weg"schnarschen".

    Unerträglich, auf Kreuzberg City und Volume Maximum konnte man sich den weingstens noch gefeatured anhören, aber hier nicht.

  • Vor 12 Jahren

    vllt liegt es ja an meiner intellektuellen einfältigkeit, aber nicht die inhaltliche tiefe war der grund warum ich die alten savas sachen gefeiert habe früher, sondern die flows und das taktgefühl. das gleiche auch bei summer. ich denke er ist ein technisch sehr versierter rapper mit jeder menge guten sprüchen und sehr gutem taktgefühl. einen anderen anspruch hat summer cem doch niemals an sich selber gehabt, deshalb kann ich den vorwurf der inhaltlichen eintönigkeit nicht so ganz nachvollziehen.

  • Vor 12 Jahren

    War einfach ne sehr sehr verkaufsschwache Woche, das ist alles.