laut.de-Kritik
Der große Moment scheint oft in Reichweite.
Review von Sven KabelitzDie alte Laberbacke Mark Kozelek hat mal wieder einiges zu erzählen. Zwar finden sich auf "Universal Themes" gerade einmal acht neue Songs, trotzdem fällt das auseinanderfaltbare Textblatt länger aus als der Beipackzettel eines Antiepileptikums.
Konsequent widersteht Kozelek der Versuchung auf "Benji" einen zweiten Teil folgen zu lassen und die eingeschlagenen Wege weiter zu verfolgen. Trug die düstere Romantik und schmerzhafte Ehrlichkeit des Vorgängers noch starke biografische Züge, errichtet Kozelek nun eine schützende Mauer um sich und seine Songs. Dem melancholischen Gitarren-Folk stehen nun rauer, abweisender Garage-Rock, abrupte Stimmungswechsel und der Blues zur Seite. Die Texte lesen sich wie gelangweilte Blogeinträge, in denen der Verfasser bloß nicht zu viel über sich selbst preisgeben möchte.
So kommt es, dass der ehemalige Red House Painters-Kopf nicht mehr über die Opfer des Amoklaufs in Newtown singt oder von der Angst, eines Tages seine Mutter zu verlieren. Stattdessen handelt der neun Minuten lange Opener "The Possum" von einem sterbenden Opossum, das Kozelek in seinem Garten findet. "I want to grow old and walk the last walk / Knowing that I too gave it everything I got", singt er, während seine Beutelratte zu einem disharmonischen Walzer die Reise ins Jenseits antritt. In dem unbedingten Willen, die Erwartungen der eigenen Hörer zu enttäuschen, schwingt die Bockigkeit eines Neil Youngs mit.
Die Ähnlichkeit zu dem alten Grantler wird im von einer verzerrten Gitarre und Steve Shelleys Schlagzeug vorangetriebenen "With A Sort Of Grace I Walked To The Bathroom To Cry" noch deutlicher. Ein schmutziges Stück, in dem Kozeleks Stimme Purzelbäume schlägt. So gar nicht mehr "Benji" stellt dieser Garage-Rock-Jam den wohl interessantesten Track der Platte dar. "Ali/Spinks 2" schlägt eine ähnliche Richtung ein, orientiert sich aber mehr an Shellys Hauptband Sonic Youth. Mehr Songs dieser Art hätten "Universal Themes" gut getan.
Die acht Stücke ziehen sich zeitweise wie Kaugummi in die Länge, zwei überschreiten gar die zehn Minuten-Grenze. Das an sich gefällige "Garden Of Lavender", das an das 2008 erschienenen Sun Kil Moon-Album "April" anschließt, hat mit seinem adretten Banjo-Part musikalisch schnell alles erzählt. Dazu verliert sich Kozelek in Trivialitäten. Seine Tage verwischen in Einförmigkeit. Erst zum Soundcheck, dann schnabulieren, Regenmantel kaufen, ein bisschen traurig sein, schlafen gehen. Wie auch in "This Is My First Day And I'm Indian And I Work At A Gas Station" steht das monotone Leben als Künstler im Mittelpunkt. Emotionale Auswirkung: Null.
Die Radikalität, mit der Sun Kil Moon-Kopf Kozelek seine künstlerische Freiheit bewahrt, nötig Respekt ab. Wenn ein Sänger, dessen Lieder bisher weitestgehend von ihren Texten lebten, genau in diesem Bereich streikt, wird es aber schnell eng. Der große Moment scheint oft in Reichweite, verliert sich aber in Eintönigkeit. "Universal Themes" bleibt über weite Strecken zerstreut und fahrig. Doch genau aus dieser Unvollkommenheit und schrulligen Antihaltung zieht der Longplayer seine Menschlichkeit. "I walked back to the k west with my guitar, got into my bed, called my girlfriend and fall asleep."
3 Kommentare
Fand "Benji" auch schon sterbenslangweilig. Auf dem Papier teils wirklich tolle Texte, aber die Musik dazu braucht es nicht.
Benji fand ich toll, wenn hier nur ein Song der Klasse wie "Dogs" oder "Carissa" drauf ist lohnt sich die Investition für mich. Ich bin gespannt.
Da ich schon 'Benji' nicht gut fand und er mir seit der War On Drugs-Geschichte unsympathisch geworden ist, brauche ich mir diese sicher endlos mäandernden 70 Minuten+ (?) gar nicht erst anzuhoeren. Ich will mir RHP nicht kaputtmachen.
Daher jetzt erstmal 'Drop'.