laut.de-Kritik

Unter der schicken Oberfläche lauern Abgrund und Umnachtung.

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Staubtrocken wie die Wüste und absolut italowesterntauglich weht die Mundharmonika ins Ohr. Für Sekunden wähnt man sich im kargen Death Valley. Doch der Beginn von "School" entstand Mitte 1974 im verregneten London. Auch sonst bietet Supertramps Meisterwerk "Crime Of The Century" wenig Sonnenschein. Zwischen Wahnsinn, Verbrechen und drohendem Unheil erfinden sie auf 45 Minuten den Prog-Pop.

Das Album spiegelt jenen einzigartig magischen Moment, der sich weder künstlerisch noch zwischenmenschlich widerholen sollte. Ihre kaum erfolgreiche Prog-Phase liegt in der Vergangenheit. Die reine Pop-Ära mit Nummern wie "Logical Song", "Breakfast In America" oder "If's Raining Again" ist noch nicht angebrochen. Dazwischen erblühen diese acht Lieder als bis heute faszinierende Musikdroge.

Mehr als 40 Stücke schrieb das Führungsduo Rick Davies/Roger Hodgson im Vorfeld. Diese Songs bilden ihre Essenz: Zum einen eingängige, oft philosophisch angehauchte Stücke von Hodgson. Gegenüber stehen Davies' Kompositionen, deren Charakter oft komplex und eine Spur vertrackter klingt. Beide Grundformen ergänzen sie im kreativen Prozess bewusst durch das gegensätzliche Naturell des Partners.

Dabei singt jeder seine eigenen Tracks, was den Kontrast maximiert. Die Hitsingle "Dreamer" etwa entstand in Grundzügen bereits in Hogdsons Teenagerzeit. Hier mausert sie sich zur Visitenkarte, die nachfolgend auf keinem Konzert fehlt. Im Gegensatz zu dessen glockenklaren Falsett klingt Davies Stimme so räudig, als käme er gerade vom Blues-Gig einer Soho-Kaschemme.

Sein Pianospiel ist zeitlos geblieben. Von der Geborgenheit eines lieblichen Kokons bis zum derben Stakkato zieht Davies alle Register. Große Teile des Charismas dieser LP gehen auf das Konto seiner Tasten. Nicht minder optimal agiert die Mannschaft um beide Alphatiere. Die Stimmung untereinander war glänzend. Sogar ein paar Gattinnen singen Backing-Vocals. Zwei Männer stechen gleichwohl deutlich heraus.

John Helliwells Saxophon ergänzt Gitarren und Klavier perfekt. Mal unterstreicht er das jeweilige Thema, dann wieder spielt er als effizienter Gegenpol auf. Auch ohne Produzent/Mixer Ken Scott hätte sich Supertramps typisches Klangbild nicht dermaßen rasant entwickelt.

Scott schafft Klangräume, in denen jedes Instrument seine Nische findet. Bereits die Art, wie er Piano plus Sax als Alleinstellungsmerkmal inszeniert, beeindruckt. Vor "Crime Of The Century" veredelten seine Soundideen u.a. bereits alle wichtigen Beatles- und Bowie-Scheiben, sowie Lou Reeds "Transformer".

Für Supertramp steuerte der Londoner ein Klangbild bei, das bereits für den ebenfalls pianolastigen Elton John auf "Madman Across The Water" entscheidend weiterentwickelt hatte. Auch hier gelingt das scheinbare Paradoxon. Er vereint Supertramps Hang zur stadiontauglichen Geste mit intimen Passagen, die deren Arrangements unterstreichen.

In typisch englischer Verschrobenheit federt die Band einen drohenden Schönklang-Overkill ab. Unter der schicken Oberfläche lauern Abgrund und Umnachtung. Schon der Opener "School" transportiert eine kaum fassbare, gleichwohl konstant spürbare Mischung aus Niedergeschlagenheit und Gefahr. Unter dem melodischen Rock von "Bloody Well Right" verbirgt sich heftiger Sarkasmus. Der dramatische, grandios arrangierte Titelsong offenbart ebenfalls ein zutiefst pessimistisches Menschenbild

Am kaputtesten ist das musikalisch komplett strukturierte "Asylum". Am Ende gleitet der Protagonist vollends in eine sich über Davies Gesang steigernde Geisteskrankheit ab. "He's mad, mad, mad ... Not quite right ... Aaaaahhhhhh!"

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. School
  2. 2. Bloody Well Right
  3. 3. Hide In Your Shell
  4. 4. Asylum
  5. 5. Dreamer
  6. 6. Rudy
  7. 7. If Everyone Was Listening
  8. 8. Crime Of The Century

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14 Kommentare mit 39 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Vielleicht das erste Album, das mir gezeigt hat, was Musik im besten Fall sein kann und das eigentlich so eine Rezeption wie DSOTM verdient hätte. Davies' Stimme, unnachahmliches Klavierspiel und auch seine vielschichtigeren Songs haben mir immer eine Spur mehr zugesagt als vor allem die Stimme von Hodgson. Dieser ist trotzdem ein sehr unterschätzter Gitarrist, bei dem jede Note stimmt und natürlich hatte der einfach den Dreh für große Popsongs raus. Aber vor allem das Zusammenspiel des kongenialen Duos erinnert mich an das gegenseitige Hochschrauben in ungeahnte Höhen fast auf dem Level von Gilmour/Waters und Lennon/McCartney. Solche Übersongs wie “Rudy“, “School“, “Crime Of The Century“ wären schon auf einem Kassettenrekorder aufgenommen beeindruckend gewesen aber dazu ist auch noch die Produktion wegweisend und zeitlos. Meiner Meinung nach zweifellos eines der größten Alben.

  • Vor 6 Jahren

    ja ich sag mal so.. es gibt Bands die brauchen bis sie wirken und es gibt Banden die wirken sofort. Letzere ist dieses Albong! Es ist wie ein Energieriegel, nur dass man länger was davon hat und versprochen: 0% Kalorien, 0% Fett und vor allem lang anhaltener Spass!

    • Vor 6 Jahren

      Dem Mars möchte ich jetzt mal einen Riegel vorschieben. Wäre es nicht möglich, das du deine netten Sprüche, bei deiner Arbeitskollegin in der Mittagspause läßt? Ich mein, extra dein Handy oder Netbook anschmeißen, um uns mit deiner unendlichen Weisheit in Serie, pünktlich um 12:00, jeden Tag zu beglücken, ist viel anstrengender. Vor allem, die eigentliche Reaktion in real von deiner Kollegin, zu erfahren ist auch für dich wertvoller. Und wer weiß, eventuell kommst du ja so zu dem erwünschten Beischlaf.

  • Vor 6 Jahren

    Mmh, sorry an alle Fans aber fand Supertramp immer zum k*****.