laut.de-Kritik
Psychedelic-Rock fürs 21. Jahrhundert.
Review von David HutzelWirft man einen Blick auf die Rückseite des Covers von "Lonerism", sieht man dort von Equipment umgeben einen Typen liegen. Barfuss, in khakifarbener Röhrenhose. Spielend hält er einen Höfner 500/1-Bass in seinen Händen. Und obwohl sich das jetzt nicht danach anhört: Damit sind wir schon mitten drin im neuen Tame Impala-Langspieler.
Denn nicht nur die Bassgitarre auf dem Cover provoziert den Rückschluss auf die Beatles. Es ist umso mehr der Sound der Band, der mit etlichen Referenzen aufwartet: Anleihen aus der späteren Phase von McCartney und Co. Und dass die Stimme von Sänger, Gitarrist und Mastermind Kevin Parker wie kaum eine andere im 21. Jahrhundert an Lennon erinnert, dürfte seit dem Erstling "Innerspeaker" bekannt sein.
Das Album beginnt hektisch, mit atemlos-rhythmischem "I Gotta Be Above It"-Sprechgesang. Die teils undefinierten Drums treiben, Parkers Leadvocals bilden den Gegenpol zum Hintergrundgesang. Sie sind verwaschen, mit unzähligen Echos versehen, so dass man nie genau weiß, wo der Gesang eigentlich beginnt und wo er endet. Gegeizt wird auf "Lonerism" sowieso mit gar nichts - die Gitarren sind immer offen für ein wenig Flanger oder ein bisschen Overdrive.
Das beweist "Endors Toi": Schon beim zweiten Song fühlt man sich wie in eine andere Zeit versetzt, fängt an zu träumen, von Erdbeerfeldern und längst verblichenen Generationen von Musikern. Während die Bassline den verspielten Grooves frönt, bricht eine Gitarre von Zeit zu Zeit durch und stiftet mit aggressiven Riffs Unruhe.
Wenn sich "Apocalypse Dreams" aufbäumt und stampfend versucht, auszubrechen, weist es Parker nach exakt drei Minuten wieder in seine Schranken: Stille und Neuaufbau. Die Drums sind rau und einfach, aber dabei nicht weniger genial - wie auch in "Mind Mischief". Über die komplette Spielzeit setzt sich der Eindruck fest, dass jedes Instrument immer genau das macht, was es will - und wann es das für richtig hält.
In der Synthese ergibt das aber immer einen fein verwobenen Klangteppich, auf dem auch ausufernde Songs (immerhin dauern sieben Tracks länger als vier Minuten) brav Platz nehmen - Kevin Parker, der Dompteur.
Die verzerrte, gleichmäßig riffende Dropped-D-Gitarre in "Elephant" nimmt das Stück von Beginn an bei der Hand, bevor es Overdrive-Synths mit verträumt poppigem Klang an die Leine legen - in beinahe jeden Song montierte Parker ein solches überraschendes Moment.
Nach dem Debüt vor zwei Jahren haben die Australier auf "Lonerism" soundtechnisch nichts eingebüßt: Man kann getrost von einem eigenen, spacigen wie eckigen Tame Impala-Sound reden. Doch die Songstrukturen haben sich in eine merklich komplexere und verspieltere Ecke bewegt.
Das mag der Grund sein, warum man nicht erwarten darf, bereits nach dem ersten Durchlauf den vollen Zugang zum Album zu finden. Das Werk ist ein klassischer Grower, auch wenn Songs wie "Feels Like We Only Go Backwards" oder "Why Won't They Talk To me" in mitsingbaren und pathetischen Refrains münden.
Das Konglomerat um den alleinigen Songwriter Kevin Parker zelebriert weiterhin den Psychedelic-Rock der 60er und frühen 70er - progressiv und charakteristisch.
4 Kommentare
Supergeile Scheibe, die Vinyl-Pressung ist auch sehr gut. Wer 60s/Psychedelic mag, wird hier fündig ...
Bin jetzt erst vier Songs weit drin, hab aber jetzt schon voll Bock das Album später zu Ende zu hören.
"Und dass die Stimme von Sänger, Gitarrist und Mastermind Kevin Parker wie kaum eine andere im 21. Jahrhundert an Lennon erinnert, dürfte seit dem Erstling "Innerspeaker" bekannt sein."
ziemliche untertreibung der klingt wirklich verdammt nach post '67 lennon. gute sache
Wird sich mal gegeben.