laut.de-Kritik
Die Pet Shop Boys ehren Eisenstejns Filmklassiker.
Review von Daniel StraubDie beiden Herren Tennant und Lowe treten normalerweise immer unter dem Markenzeichen Pet Shop Boys in Erscheinung. Wenn sie sich nun bei ihren Nachnamen genannt wissen wollen, hat dies seine Gründe. Der naheliegendste: "Battleship Potemkin" ist kein Pet Shop Boys-Album. Die Cineasten werden es schon gemerkt haben - "Panzerkreuzer Potemkin", so der deutsche Titel, ist ein Soundtrack zu Sergej Eisenstejns großem Revolutionsmanifest, für die Nachwelt festgehalten auf Zelluloid.
Für alle, denen der filmgeschichtliche Hintergrund fehlt, seien hier ein paar einleitende Worte gesagt. Der russische Regisseur und Filmtheoretiker Sergej Eisenstejn gehört zu den wichtigsten Pionieren des frühen Films. "Panzerkreuzer Potemkin" gilt bis heute als einer der wichtigsten Filme der Geschichte. Und das aus zweierlei Gründen: zum einen verwirklichte Eisenstejn hier einige seiner provokanten Thesen zur Montage von Bildern. Schroffe Gegensätze statt niedlichem Flow waren sein zentrales Anliegen. Zum anderen glaubte er an die politische und revolutionäre Dimension des Films. Kunst war für ihn konkrete Politik und gesellschaftliche Vision gleichermaßen.
An diesem Klassiker der Filmgeschichte haben sich Neil Tennant und Chris Lowe, die auch schon so prollige Mitgröhl-Nummern wie "Go West" verbrochen haben, nun also abgearbeitet. Und sie tun dies mit Würde und Leichtigkeit zugleich. Angesichts der übermächtigen Vorlage ein Ergebnis, das nicht nur überrascht, sondern Respekt aus tiefstem Herzen verdient. An ihrer Seite bei "Battleship Potemkin" stehen die Dresdner Sinfoniker unter den Leitung von Jonathan Stockhammer. Klassik und Electro-Pop auf gemeinsamer Geschichtsmission.
Und was auf den ersten Blick wie ein allzu gewagtes Unterfangen erscheint, entpuppt sich schnell als gelungene Verbindung von Tradition und Moderne. Eisenstejns eindringliche Bildmontagen erfahren eine von sanftem Pathos durchzogene musikalische Umsetzung, wie sie in "Drama In The Harbour" beispielhaft zum Ausdruck kommt und bei "After All (The Odessa Staircase") ihren kitschigen Höhepunkt erreicht.
Diese Chronologie korrespondiert zwar mit dem Film (die berühmte Treppensequenz mit Kinderwagen sei hier in Erinnerung gerufen). Doch während Eisenstejn seinen Appell an das Menschliche im Menschen mit seiner dialektischen Montage in Form gießt, greifen Tennant/Lowe und die Dresdner Sinfoniker die rhythmische Bildersprache der Vorlage nicht auf, sondern setzen statt dessen auf die schlichte Interpretation der Sequenz mittels Sprache.
Heraus kommt dabei zwar ein inbrünstiges Bekenntnis für eine bessere Welt im Allgemeinen. Der revolutionäre Impetus, den das Original von Eisenstejn bis zum heutigen Tag in sich trägt, bleibt allerdings unangetastet. Das ist schade, wäre aber wohl auch ein bisschen zu viel erwartet.
1 Kommentar
Diese Kritik ist ein mir zu intellektueller Ansatz um die Musik in Relation zum Film zu setzen. Sie zeugt von Selbstverliebtheit in die eigene Kapazität Dinge kompliziert auszudrücken um wichtig zu erscheinen. Dabei wird vernachlässigt, dass die Pet Shop Boys auch schon andere Projekte angegangen sind und Go West erst eine Prollnummer wurde weil hirnlose Fussballfans nichts anderes im Sinn hatten. Zum anderen ist es doch ein herrlicher Wiederspruch das Fussballchaoten schwule Hymnen singen, oer? Jemand, der so geschwollene Kritiken schreibt sollte dies nicht vergessen...