laut.de-Kritik

Schlaflieder? Ein Weckruf, und zwar ein verdammt lauter!

Review von

Schlaflieder für den schlummernden Geist? Meine Fresse, was habt ihr denn bitte früher vorgespielt bekommen? Die Nationalhymnen des Schreienden Männerchors? "Lullabies For The Dormant Mind" ist nicht mehr und nicht weniger als ein Weckruf - und zwar ein verdammt lauter!

Mit ihrem Debüt-Album "Once Only Imagined" lieferten The Agonist um Sängerin Alissa White-Gluz zwar einen ordentlichen Einstand ab, aus dem Wust der zahllosen anderen Metalcore-Scheiben stach der Silberling aber nicht unbedingt hervor. Das neue Album dagegen nimmt von vorne bis hinten gefangen.

Schon "The Tempest" springt einem förmlich mit dem nackten Arsch ins Gesicht und reißt einem den Kopf von den Schultern. Über weite Strecken geht die Band mit einer Wildheit und Rasanz zu Werke, die wahrlich beeindruckt. Alissa gurgelt dazu gewohnt derb ihre Texte, nur um an den überraschendsten Stellen mit klaren, bezaubernden Gesangslinien aufzuwarten. Die dürfen dann gern auch mal einer orientalischen Tonleiter folgen.

"... And Their Eulogies Sang Me To Sleep" lässt den Klargesang bis auf ein paar Backings weitgehend außen vor und hämmert mächtig nach vorne weg. Machen wir uns nichts vor: Die Nummer strengt durchaus an und grenzt an Mathcore der Marke Dillinger Escape Plan. Dagegen ist "Thank You, Pain" im Vergleich eine richtig eingängiges Ding, das sich mit ein paar satten Grooves gefällt.

Häufig arbeitet die Band mit kurzen Klavierpassagen, die den Sound definitiv interessanter machen. Grenzen scheint es für The Agonist eh keine mehr zu geben. Wozu auch, wenn man bei "Birds Elope With The Sun" Blastbeats und die rasenden Gitarren des Black Metals verbraten kann? Hier reißt vor allem der Klargesang richtig was raus. Ansonsten gerät der Track für die Verhältnisse der Band fast schon unspektakulär. Aber eben nur fast.

Die volle Breitseite verpasst "Marty Art". Der Refrain wird zwar melodisch, mit den Keys fast schon hymnisch, aber erst im zweiten Anlauf setzt auch der Klargesang ein. Dieser trägt vollkommen im Alleingang die A-cappella-Version des Schwanensees. Diese singt Alissa mit weiß Gott wie vielen Gesangsspuren im Alleingang und beweist ein für alle Mal, was sie stimmlich alles drauf hat.

Kein Frage, dass "The Sentient" danach wieder mächtig durchs Gebälk rauscht. Ähnlich wie beim Geschoss "Globus Hystericus" und dem im Midtempo groovenden "When The Bough Breaks" handelt es sich um recht eingängige Thrash-Nummern.

Mit dem abschließenden "Chlorpromazine" verlangen The Agonist dem Hörer noch einmal Einiges ab. Allerdings gibt es in der Nummer auch verdammt viel zu entdecken, angefangen beim verdammt starken Drumming über einen sehr coolen Bass-Tapping bis hin zu den verrückten, recht seltsamen Keyboards im Mittelteil.

Trackliste

  1. 1. The Tempest (The Siren's Song, The Banshee's Cry)
  2. 2. ... And Their Eulogies Sang Me To Sleep
  3. 3. Thank You, Pain
  4. 4. Birds Elope With The Sun
  5. 5. Waiting Out The Winter
  6. 6. Martyr Art
  7. 7. Globus Hystericus
  8. 8. Swan Lake, Op. 20-Scene, Act 2, #10 - Tchaikovsky
  9. 9. The Sentient
  10. 10. When The Bough Breaks
  11. 11. Chlorpromazine

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