laut.de-Kritik

Die New Yorker loten die Grenzen von Afro-Beat und Soul aus.

Review von

"Enjoy The Silence": Solches wussten bereits Depeche Mode. Wenn das Schweigen dann ein derart beredtes ist wie jenes, das der Groove der Budos Band kreiert, sind Worte in der Tat äußerst überflüssig. Dann darf man sich auf die Frage, ob man nicht doch irgendwann einmal mit einem Sänger zusammen arbeiten möchte, auch weiterhin ein herzhaftes "Fuck, NO!" erlauben.

Wie schon auf ihrem namenlosen Erstling beschränken sich die Budos auf dem zugegebenermaßen wenig phantasievoll "II" betitelten Zweit-Schlag auf das Instrumentale und zeigen zehn höllisch voran treibende Tracks lang, wie wenig man einen Vokalisten vermissen kann. Gesang fehlt keine Sekunde. Viel zu sehr nehmen die fesselnden Rhythmen die ungeteilte Aufmerksamkeit gefangen.

Afrikanische und orientalische Einflüsse schleichen sich in die Melange, die die amerikanische Fachpresse als "Quintessenz des Staten Island-Funk" abfeierte: Im Vergleich zum Debüt weben die bärtigen Herren Komponenten von noch mehr Stilrichtungen ineinander, ohne dabei auch nur ein Quentchen Soul auf der Strecke zu lassen. Der Sound kriecht durchs Gehör ohne Umweg direkt in die Hüften: Hier nicht wenigstens Kopf und Fuß im Takt mitwippen zu lassen: ein Akt der Selbstbeherrschung, an dem ich mit Vergnügen scheitere.

Bestens aufgehoben im Analog-Paradies des New Yorker Daptone-Studios, in dem die digitale Abteilung genau einen stiefmütterlich behandelten CD-Player umfasst, entfaltet die Budos Band den facettenreichen, warmen, dunklen, üppigen Klang, der zu ihrem Markenzeichen avancierte. Unprätentiös und bodenständig, dabei gleichzeitig würdevoll und erhaben tönt es, als spiele eine Big Band in Hemdsärmeln im luxuriösen Orient-Express zum Tanz auf.

Im Gegensatz zu vielen anderen Bands, die eher wie Zweckgemeinschaften von Solisten wirken, steht bei den Budos das Gemeinsame im Vordergrund. Elf Freunde sollt ihr sein: Hier drängt sich niemand in den Vordergrund. Das winzigste Percussioninstrument ertönt gleichberechtigt neben mächtigen Bläsern, einer E-Orgel und dem alles miteinander verbindenden Bass. Einzelaktionen gibt es zwar, auf ausufernde Alleingänge wird allerdings zugunsten des Zusammenhalts verzichtet, das hörbar das Ergebnis langjähriger Übung ist. So eingespielt sein, dass man sich blind aufeinander verlassen kann, ohne dabei festgefahren zu wirken: ein bewundernswerter Spagat.

Mit vollen Bläsereinsatz hebt der "Chicago Falcon" ab und schlägt seine Fänge, einer Tanzplatte äußerst angemessen, tief in den Unterleib. Etwas heller, etwas schneller und mit exotischem Touch in der getragenen Melodie bietet "Budos Rising" abwechselnd Trompeten und der Orgel eine Bühne. Wüsste man es nicht besser, man könnte die Tracks leicht auf die ausgehenden 60er Jahre datieren, so präsent wabert der große Geist des Afro-Funk durchs Geschehen.

Mehr als einmal wünsche ich Budos Band die Verantwortung für den einen oder anderen Soundtrack: Alten Gangsterfilmen stünden die atemlos nach vorne preschenden und dabei doch nicht unerheblich Glamour verströmenden Nummern genau so gut zu Gesicht wie dem nächsten James Bond-Streifen. Um Smokey Robinsons Vorlage in "My Girl" aufzuschnappen, muss man schon zweimal hinhören. "Origin Of Man" gibt, schreckt man zu diesem Behufe nicht vor schrägen Tönen zurück, einen exzellent theatralischen Hochzeitswalzer ab.

Wenn mich aus "King Cobra" dann gleichzeitig die nächtliche Großstadt und der finsterste Dschungel anspringen, dann weiß ich plötzlich, woran mich der hypnotische, unwiderstehlich anziehende Groove erinnert: Das ganze Album wirkt wie ein einziger tiefer Blick in die rollenden Augen der Dschungelbuch-Schlange Kaa. Lässt man sich darauf ein, verliert man den Kopf - und wird es nicht bereuen, versprochen. "Hör' auf mich, glaube mir. Augen zu, vertraue mir."

Trackliste

  1. 1. Chicago Falcon
  2. 2. Budos Rising
  3. 3. Ride Or Die
  4. 4. Mas O Menos
  5. 5. Adeniji
  6. 6. King Cobra
  7. 7. My Girl
  8. 8. Origin Of Man
  9. 9. Scorpion
  10. 10. Deep In The Sand

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LAUT.DE-PORTRÄT The Budos Band

Man möchte es nicht für möglich halten: Es existieren im Jahr 2007 noch Studios, deren "digitale Abteilung" aus nichts als einem CD-Player besteht.

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