laut.de-Kritik
Als würde ein suizidärer Broker vor dem finalen Sprung noch eine WG-Sause feiern.
Review von Adrian MeyerDie experimentelle Popgruppe The Chap gratuliert mit "Well Done Europe" dem alten Kontinent, doch die Ironie dahinter ist nicht überhörbar. Schon der erste Track beispielsweise trägt den sympathischen Titel "We See To Your Breakdown". Im holprigen Rhythmus und zu skurrilen Geigen- und Gesangsschnipseln singen die Londoner mehrstimmig "You will never have a job / you will never have lunch in this town again / We'll see to that cause we hate you", und lassen dabei den Hörer verwirrt, aber schmunzelnd zurück.
Tatsächlich erinnert der schräge Humor der Band, die sich nach einem britischen Magazin für (post-) moderne Dandies benannte, stark an Monty Python. In ihre minimalistisch instrumentierten, stets elektronisch durchmischten Melodien streuen sie dadaistische Texte über belanglosen Small-Talk bei der Arbeit als Bartender ("We Work In Bars"), das stete Verlangen nach Beinen ("Gimme Legs") und gut gemeinte, aber leicht heuchlerische Komplimente von Vorgesetzten ("Well Done You").
Musikalisch evozieren The Chap in ihrer Herangehenweise an den Pop oft die späten Monochrome. Vor allem "Gimme Legs" und "Obviously" zeugen von einer überraschend ähnlichen Gitarrenarbeit. In letzterem gelingt The Chap das Kunststück, Shakira, Jodie Foster und Après-Ski zu besingen und gleichzeitig in post-apokalyptischer Sinnentleertheit "Is anybody still out there?" zu fragen.
"Nevertheless, The Chap" hingegen klingt wie Andrew Bird auf Crack, hypernervös und irgendwie unheimlich. Als würde ein stark suizidärer Broker vor seinem finalen Sprung noch schnell zu einer WG-Sause einladen, skandieren The Chap dabei den Slogan "Let's party!" inmitten von beunruhigenden "Ooohs" und "Aaahs". Dazu passt auch der morbid-skurrile Reim "Watch some girls go by, and time goes by, and then we die".
Sowieso überspringt "Well Done Europe" mehrmals die (Sub-) Genre-Grenzen, sei es mittels Sommerhit für Indie-Nerds ("Even Your Friend") inklusive Glockenspiel und "Oh Yeah" im Chorgesang, sanftem Indietronic ("Pan Fan", "Chalet Chalet"), oder elektronischem Funk ("Few Horoscope"). Dennoch steht bei The Chap unmissverständlich der Pop im Zentrum - wenn auch in einer schrägen, ungewöhnlichen und daher enorm erfrischenden Art.
"Well Done Europe" ist eine quirlige, vergnügliche Platte, die vor Lebendigkeit nur so strotzt. Munter pusten The Chap jegliche Tristesse aus dem Alltag und zaubern mit ihrem Humor ein Lächeln auf graue Bürogesichter.
1 Kommentar
Zwar sehr verspätet möchte ich anmerken, dass The Chap sowohl live als auch aus der Konserve sehr gut ist. Schade, dass ihr neues Album noch keiner Review unterzogen wurde.