laut.de-Kritik

Die britischen Big Beat-Urväter erwischen Herz und Beine.

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Alben der Chemical Brothers stachen immer schon aus den schnell zusammengeschusterten B-Seiten anderer Künstler im Bereich elektronische Musik heraus. "No Geography" reiht sich nahtlos in diese schöne Tradition ein.

Die britischen Big Beat-Urväter beherrschen natürlich auch die Kunst des Hits, wie die Vorab-Single "Eve Of Destruction" raumgreifend bewiesen hat. Druckvolle, analoge Drums, hysterische Synths, die Insignien des guten, alten Raves besagen: Sollte der Titel angesichts der chaotischen Brexit-Situation politisch verstanden werden, dann am ehesten im Sinne von "Wir machen weiter."

Produktionstechnisch bewegen sich die Tracks auf höchstem Niveau. Dennoch bewahren sie sich eine gewisse Menge Rotz, was wiederum eine gesunde Portion Funkyness mit sich bringt. "Got To Keep On" liefert so ein Fallbeispiel eines discoid-dreckigen Bangers: Sanfter French House trifft britisches Dance-Understatement.

Die Vocals fühlen sich präsenter an als in der Vergangenheit, wirken aber nie überdosiert. Kurz, bevor man ihrer überdrüssig wird, kommt einfach eine 303 herein und nimmt den Jackson 5-esquen Song "We've Got To Try" so richtig auseinander.

Fette Electro-Breaks und Notwist artige Melancholie treffen bei "Gravity Drops" direkt in Herz und Beine. Diese Kombination hätte man weder erwartet noch für so effektiv und "logisch" gehalten.

Beim genreübergreifende Spiel mit dem Ziel, gute Musik hervorzubringen, sitzen Tom und Ed sicher im Sattel. Da sie seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich die Essenz von Tanzmusik verkörpern: irgendwie auch kein Wunder.

Narzissmus haben die "Brüder" nicht nötig. Zehn Stücke genügen, um ihre Vision zu repräsentieren. Besonders gelingen zur Abwechslung die etwas besinnlicheren Stimmungen wie in "Catch Me I'm Falling": schaurig-schöner Ecstasy Pop mit einer Träne im Knopfloch, und gleichzeitig ein dramaturgisch wohl gewählter Abschluss des Reigens eklektischer Lieder.

Hat noch irgendjemand Zweifel? "The brothers gonna work it out!"

Trackliste

  1. 1. Eve Of Destruction
  2. 2. Bango
  3. 3. No Geography
  4. 4. Got To Keep On
  5. 5. Gravity Drops
  6. 6. The Universe Sent Me
  7. 7. We've Got To Try
  8. 8. Free Yourself
  9. 9. MAH
  10. 10. Catch Me I'm Falling

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1 Kommentar

  • Vor 5 Jahren

    ChemBros sind immer noch der Hammer. Fand die letzte Scheibe eher mittelmäßig, nun bei der neuen Scheibe fühlt es sich gleich beim ersten Mal hören gut an. Ob’s genauso wie bei Push the Button wird, hach, es wär zu schön um wahr zu sein, aber ich hoffe... 4/5 redlich verdient. Die Rezo trifft’s auch...