laut.de-Kritik

Die Schwelle zum Ruhm: Hier wurde sie überschritten.

Review von

Wenn Robert Smith nicht gerade Bandkollegen rauswirft, eine seit kurzem wieder aufgenommene Beschäftigung früherer Tage, kümmert er sich geradezu rührend um seine Fans. Dachte man 2004 noch, die Deluxe Edition des Cure-Debütalbums "Three Imaginary Boys" sei einem einmaligen Nostalgieschub des Düsterrock-Großmeisters zu verdanken, belehrte einen die nachgeschobene Raritäten-Palette mit den Folgealben "Seventeen Seconds", "Faith" und "Pornography" schnell eines Besseren.

Und es hört nicht auf: heuer erscheinen gleich vier alte Alben auf einen Schlag. Der Chronologie fühlt sich Smith in seiner persönlichen Vergangenheitsbewältigung derart verpflichtet, dass selbst das kaum bekannte "Blue Sunshine"-Album von The Glove zu einer runderneuerten Version kommt, das Projekt von Robert Smith und Siouxsie And The Banshees-Basser Steve Severin aus dem Jahr 1983. Jene auf den ersten Blick nur mäßig prickelnde Deluxe Edition ist jedoch nicht weniger spannend, da dort alle seinerzeit von Gastsängerin Jeanette Landray interpretierten Glove-Songs erstmals in der Demoversion mit Roberts Vocals vorliegen.

Charthits finden sich dagegen erst auf vorliegendem Werk von 1985 sowie der '87er Oper "Kiss Me Kiss Me Kiss Me", wohingegen der Raritätenschrank des vergleichsweise schwachen Albums "The Top" (1984) eher Nerd-Sehnsüchte stillt. Allen vier Alben gemein ist die verbesserte Aufnahmetechnik der Mittachtziger, denn was uns Smith auf "Seventeen Seconds" und "Faith" im Raritätenteil vorsetzte, klang zuweilen wie die zehnte Kopie einer Walkman-Aufnahme der Schwester eines Fans aus Australien.

Denkt man sich die "Kiss Me"-Platte als das "Sergeant Peppers"-Werk der Briten, so ist "The Head On The Door" definitiv "Rubber Soul". Ein homogenes, unaufdringliches Album, das den neuen keyboardlastigen Trademark-Sound der Band in zehn Songs schnörkellos einführt, und anhand der Singles "Inbetween Days" und "Close To Me" beinahe unbemerkt Ansprüche auf die Weltherrschaft stellt. Oder wie Robert Smith im Booklet selbst sagt: "Als wir mit diesem Album nach Amerika kamen, rollte die Lawine richtig los. Die Songs passten ins Radio, MTV liebte unsere Videos und wir waren eine gute Liveband mit einem ordentlichen Song-Repertoire."

Doch auch die Albumtracks glänzen. Auf dem flamenco-artigen, mit Kastagnetten angereicherten "The Blood" ist Smiths frisch erwachte Zuneigung zur Akustikgitarre sogar noch dominanter zu spüren als auf "Inbetween Days". Der Keyboard-Rocker "Push" könnte auch auf "Kiss Me" platziert sein, während das zäh fließende "Sinking" bereits verrät, wohin die Reise vier Jahre später mit "Disintegration" gehen sollte.

Dank der liebgewonnenen Booklet-Anekdoten erfahren wir, dass Gründungsmitglied Lol Tolhurst bereits 1985 kaum noch Einfluss auf die Kompositionen hatte, obwohl er noch bis 1990 von der Band mitgeschleppt wurde. Smith erinnert sich dennoch an ein kompaktes Bandgefühl, gestützt vom zurück gekehrten Bassisten Simon Gallup, Drummer Boris Williams und Gitarrist Porl Thompson (2005/06 wieder im Live-Line Up gesichtet).

Nun wage ich ja eher zu bezweifeln, dass der Indie-Freund mit Jahrgang 1985 lieber zu vorliegender Deluxe Edition greift, wenn er in der Indie-Disko oder auf laut.fm zufällig mit dem göttlichen "Inbetween Days" konfrontiert wird. Denn natürlich hat Smith vor allem die Geldbeutel der heutigen 30- bis 45-Jährigen im Sinn, denen der ganze Stress mit CD-Neuveröffentlichungen sowieso viel zu lästig ist und die an den modernen MP3-Downloads noch immer das Fehlen eines informativen Booklets kritisieren.

Daher aufgekreischt: "The Head On The Door" bietet wie gehabt einmal das Originalalbum in der Digital Remastered-Fassung sowie eine zweite CD mit Demos jener Phase. Positiv hervorzuheben ist, dass Smiths Stimme hier auch meistens zu hören ist, wohingegen er uns auf der "Kiss Me"-Edition nur Instrumentalversionen seiner Demos offerierte, was Kollege Mengele in seiner demütigen Rezension vor Aufregung schlicht übersah. So quietscht "Close To Me" gar wunderlich dank eines spaßigen Keyboard-Basses, "A Night Like This" steht bis auf das Saxophonsolo schon zum Großteil auf eigenen Beinen und das eisige "Screw" war ursprünglich sogar fast schon niedlich. Dann allerdings kam Gallup und drehte seinen Bass lauter als die Synthies.

Mit vier bislang unveröffentlichten Stücken ködert uns Smith dann endgültig: "Inwood" und "Innsbruck" sind zwei düstere, gitarrenlastige Instrumentals, die man eher auf "Faith" oder "Pornography" erwartet hätte, "Mansolidgone" dürfte die Blaupause der späteren B-Seite "A Man Inside My Mouth" darstellen, und "Lime Time" war Smith letztlich wohl doch allzu poppig, weswegen er lieber ein paar Worte und Sounds für "Inbetween Days" abzwackte, das hier übrigens nur in einer eineinhalbminütigen Orgelversion aufläuft.

Da "The Head On The Door" ohnehin in jedem Schrank eines Indie Rock-Fans stehen sollte, rate ich all jenen zur Investition dieser Edition, die sich im Wust der Cure-Neuveröffentlichungen kaum mehr zurechtfinden, denn als Einstieg eignet sich diese Compilation äußerst gut. Zumal das Verhältnis von guten Songs, ansprechenden Demos und unveröffentlichten Songs bislang auf keiner Deluxe Edition außer "Three Imaginary Boys" sauberer austariert war.

Trackliste

The Original Album

  1. 1. Inbetween Days
  2. 2. Kyoto Song
  3. 3. The Blood
  4. 4. Six Different Ways
  5. 5. Push
  6. 6. The Baby Screams
  7. 7. Close To Me
  8. 8. A Night Like This
  9. 9. Screw
  10. 10. Sinking

Rarities 1984-1985

  1. 1. Inbetween Days (RS Home demo)
  2. 2. Inwood (RS Home demo)
  3. 3. Push (RS Home demo)
  4. 4. Innsbruck (RS Home demo)
  5. 5. Stop Dead (Studio demo)
  6. 6. Mansolidgone (Studio demo)
  7. 7. Screw (Studio demo)
  8. 8. Lime Time (Studio demo)
  9. 9. Kyoto Song (Studio demo)
  10. 10. A Few Hours After This... (Studio demo)
  11. 11. Six Different Ways (Studio demo)
  12. 12. A Man Inside My Mouth (Studio demo)
  13. 13. A Night Like This (Studio demo)
  14. 14. The Exploding Boy (Studio demo)
  15. 15. Close To Me (Studio demo)
  16. 16. The Baby Screams (Live bootleg)
  17. 17. The Blood (Live bootleg)
  18. 18. Sinking (Live bootleg)

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