laut.de-Kritik

Jim Morrison betört seine Beute so verführerisch wie Luzifer selbst.

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"In allen Gedichten stecken Wölfe, nur in einem nicht, dem wunderbarsten von allen." In dieser Woche jährt sich der Todestag von James Douglas Morrison zum 40. Mal. Kein Grund zum Feiern. Am Ende des Regenbogens warteten lediglich Selbstzerstörung, Drogenwahn und Tod auf den 'Lizard King'. Den einen ist der Doors-Sänger nur ein narzistischer Scharlatan. Vielen anderen dagegen ein nahezu messianisch verehrtes Rockgenie.

Eines wird niemand bestreiten: Wie kein anderer kulminiert Jim zum männlichen Sexsymbol der Swingin' Sixties und dem aggressiven Eulenspiegel einer nicht minder zerrissenen, dazu bigotten US-Gesellschaft.

Musikalisch ragt "L.A. Woman" mit "Riders On The Storm" heraus, oder auch die dritte LP "Waiting For The Sun", mit der sie - dank "Unknown Soldier" und "Five To One" zur subversiven Anarcho-Blaupause für politisch denkende Bands mutieren. Der erste Paukenschlag aber ist das kolossale, in nur sieben heißen Augusttagen des Jahres 1966 aufgenommene Debüt.

Also suhlt euch mit mir bitte einen Moment im absoluten Urknall. Der Sekunde vor dem Summer Of Love; einem musikalisch und kulturhistorisch so bedeutsamen Jahrhundertmoment, wie ihn Los Angeles - trotz aller Aufgeblähtheit - weder davor noch danach je wieder erlebte. "Break on through to the other side, yeah", herrscht uns der 'schwarzlederne Dämon' mit der ganzen Wucht seines irisch-stämmigen Dickschädels an. Instinkt und Ekstase mit Morrison als fiebrige 'Bestie Mensch'. Das ist neu.

Die Beatles bringen - lang vor dem "White Album" und "Sgt. Pepper" - gerade erst "Eleanor Rigby" heraus. Jimi Hendrix samt "Purple Haze" oder "Foxy Lady" gibt es noch nicht. Die Nation hat sich nicht mal richtig davon erholt, dass Dylan nun elektrische Gitarren nutzt. Doch der (scha)manische Rocker hat mehr zu bieten als alle anderen: Sex und Tod!

Wie gern sahen die Doors sich als Pförtner der Wahrnehmung im ganz Huxley'schen Sinn. Und wer möchte ihnen da Arroganz vorwerfen? Allein Manzareks Intro zu "Light My Fire" und das angejazzte Solo des fürs Single-Edit lustig-stumpf heraus geschnittenen Mittelteils hätte es musikhistorisch noch gar nicht geben dürfen. Die Höhlenmalereien der Fusion? Das mag pathetisch klingen. Eine Übertreibung ist es nicht.

Brecht zum Burger? Vor Morrisons angeschickerter "Alabama Song"-Version war es undenkbar, solche Hochkultur im belächelten Rockkontext zu bringen. Getreu den Zeilen "Show me the way to the next little girl" katapultiert sich Morrison versuchsweise in die Arme von Nico, die später daran zerbrechen wird, ihn nicht für sich zu bekommen. Warhols sinistre Factory sowie die anderen großen Pioniere schockten und faszinierten den labilen Genius gleichermaßen. "Jemand gab mir dieses goldene Telefon und sagte, ich könne damit mit Gott sprechen. Nimm du es; ich habe ihm nichts zu sagen", flüstert Andy ihm kryptisch zu.

Und in der Tat nimmt Morrison zumindest eine gehörige Portion der Saat des Bösen aus dem New Yorker Underground zurück nach Tinseltown. Die letzten Reste von Hemmung verschwinden aus Performance und Gesang. Die Pforte öffnet sich. Morrison hat vielleicht nicht das handwerklich größte Talent. Über eine der charismatischsten Stimmen, die noch im Melodram ihre anmutig-stolze Phrasierung nicht einbüßt, verfügt er allemal. Hiervon profitieren die atmosphärischen Lieder wie "The Crystal Ship" ungemein.

Unerbittlich droht dieser Rezension nun 'Das Ende'. Vom Ödipus-Aspekt über die musikalische Komplexität bis hin zur Coppola-Collage in 'Apocalypse Now' hat dieses bald 50 Jahre alte Stückchen Musikgeschichte alles gesehen; auf seinem Weg in die Bel-Etage vom 'Tower Of Song'. Wie kaum ein anderer Rockmonolith verstärkt "The End" auf schier magische Weise fast jede menschliche Empfindung. Das Lied trifft in Momenten des Stolzes ebenso ins Herz wie in Augenblicken des knödeligen Selbstmitleids, der biochemisch bedingten Durchgeistigung oder der künstlerischen Erleuchtung.

"Can you picture what will be, so limitless and free?" betäubt Jim seine Beute so verführerisch wie Luzifer. Sind mittlerweile wirklich alle Grenzen gefallen; sind wir endlich frei? In jedem Fall ist diese Langspielplatte ein ewiger Sieg künstlerischer Spiritualität und Erotik über Zensur und tradierte Zurückgebliebenheit.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Break On Through (To The Other Side)
  2. 2. Soul Kitchen
  3. 3. The Crystal Ship
  4. 4. Twentieth Century Fox
  5. 5. Alabama Song
  6. 6. Light My Fire
  7. 7. Back Door Man
  8. 8. I Looked At You
  9. 9. End Of The Night
  10. 10. Take It As It Comes
  11. 11. The End

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