laut.de-Kritik

Wenn du erwachsen wirst, stirbt dein Herz!

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Vielleicht ist die Pubertät indirekt eine der unterschätztesten Musen der Popkultur. Die Abkehr von den Eltern und die Hinwendung zum anderen Geschlecht ist der Quell und zugleich Inhalt vieler wichtiger Werke aus Kunst, Film und Musik.

Wahrscheinlich auch "Summertime!" von den Drums, denn hier geht es um die Standard-Teenagertragödien, wie den verrückten ersten Kuss, die Grausamkeit der ersten großen Liebe und ungewollte Schwangerschaften. Aber auch Tagträume, Rumhängen und Perspektivlosigkeit. Wenn man nun auf dem Inlay des Albums die vier süßen Twinks entdeckt hat, ist nicht sofort klar, aus welcher Inspiration und Erfahrung heraus solch offenbar noch grüne Jungs eine derart hitlastige 80er-Jahre-Reminiszenz erschaffen konnten. Sie müssen schon als Säuglinge wie Schwämme die Musik und das Lebensgefühl dieser Zeit in sich aufgesogen haben. Während die Eltern ihre New Wave-Platten aufgelegt haben, waren eben immer auch die kleinen Ohren gespitzt.

Zumindest bei Producer und Kopf der Band Jonathan Pierce scheint das Gespür für Pop direkt aus dem Kinderzimmer zu kommen. Nicht anders ist zu erklären, wie man in so jungen Jahren auf einen Überhit wie "Let's Go Surfing" kommen und dazu die Schönheit von 50er-Jahre Patina für sich entdecken kann. Beschwingte Pfeifchöre verkuppelt mit lässiger Rockabilly-Gitarre und einem New Wave-Bass auf Highspeed: Das sind die Zutaten für einen knapp dreiminütigen Geniestreich mit Evergreen-Qualität. "Down by the rollercoaster, sweet sweet baby, I never let you go" kokettiert dazu noch inhaltlich mit dieser 50er-Jahre Coney-Island-Ästhetik, wo es nur darum geht, im Vergnügungspark Mädels am Autoscooter aufzureißen und diese mit runter an den Strand zu schleppen. Hier hat schon die Strophe das Ding zum Refrain und die Indieszene dies- und jenseits des Atlantiks konnte sie mindestens schon ein halbes Jahr vor Release mitsingen, respektive -pfeifen.

Man könnte den Drums jedoch vorwerfen, sie versuchten hier wie die Smiths zu klingen, ja gar sie zu kopieren. Sie scheitern aber nur unauffällig an der nötigen Erfahrung und der intellektuellen Tiefe. Die Manchester-Halbgötter sind nicht ihre einzigen Vorbilder aus vergangenen Tagen. So hört sich auch die Gitarre von "Submarine" verdächtig nach The Cure von 1985 an, allerdings eher von B-Seiten-Format. Oder "Down By The Water", das mit seinen zischenden Synthies, einem entschleunigten Bass und dem elegischen mehrstimmigen Gesang der Band den Spitznamen "Beach Boy Division" einbrachte.

Dafür ist "Saddest Summer" genau das Gegenteil. Ein im roten Bereich drehender Überschall-Bass trägt mit 250 Beats per Minute die hektischen Liebesschwüre von Jonathan Pierce hinaus an die Geliebte und muss dabei aufpassen, dass er sich nicht verhaspelt. Natürlich nimmt man ihm ohnehin nicht ab, dass er überhaupt traurige Jahreszeiten haben könnte. Gleichzeitig sieht er das Ende des gerade beginnenden Sommers und der mit ihm anklingenden Liebe voraus. Hellsichtig und trotzdem herzlich beschwört er eine Stimmung herauf, wo nur Softeis, Zuckerwatte und Pomade eine Rolle spielen, jedoch immer auch mit dem Verlust jener Insignien des Teenagers im Laufe des Heranreifens geliebäugelt wird.

Das kürzlich verstorbene Multitalent John Hughes, Autor und Regisseur diverser Filme zum Thema Coming of Age bringt es in seinem Film "Der Frühstücksclub" auf den Punkt. Dort lässt er eine Protagonistin das Dilemma der modernen Jugend in einem kurzen Satz zusammenfassen: "Wenn du erwachsen wirst, stirbt dein Herz!". Und deutet man den Subtext von "Summertime!" richtig, so dürfte unterm Strich genau diese Weisheit dabei herauskommen. Ich bin jedenfalls gespannt, was die herangereiften Drums in Zukunft noch so zum Vorschein bringen werden.

Trackliste

  1. 1. Let's Go Surfing
  2. 2. Make You Mine
  3. 3. Don't Be a Jerk, Johnny
  4. 4. Submarine
  5. 5. Down By The Water
  6. 6. Saddest Summer
  7. 7. I Felt Stupid

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