laut.de-Kritik
Kompromisslose Reise durchs Electro-Kontinuum.
Review von Maximilian FritzElectro und die unendlichen Weiten des Weltraums – eine nie enden wollende Liebesgeschichte. Wie man diese Beziehung zeitgemäß und dennoch mit angemessenem Respekt interpretiert, zeigt Robert Witschakowski-Jockel alias The Exaltics seit weit über einer Dekade. Der Jenaer demonstriert auf "Dimensional Shifting" wieder eindrucksvoll, dass er dem Subgenre qualitativ Hochwertiges abzuringen vermag, ohne epigonal zu wirken – und hat dazu den idealen Partner an Bord seines Raumkreuzers.
Heinrich Mueller, bürgerlich Gerald Donald, bildete mit James Stinson das legendäre Detroiter Electro-Duo Drexciya, das mit seinen puristischen, schnörkellosen und instinktiven Tracks bis Anfang der 2000er die elektronische Musik in einem Maße beeinflusste wie kaum ein anderer Act.
Über 35 Minuten servieren der Thüringer und der techno- wie germanophile Detroiter Klangforscher einen kurzen, abwechslungsreichen Ritt durchs All, der – es ist nicht ihre erste Kollaboration – wie aus einem Guss klingt. Vom leicht routinierten, dennoch fesselnden Intro mit seinen zarten Bleeps gehts sofort ins "Hologram Universe". Ein frühes Highlight, das mit geradem Beat, typischen Electro-Stabs und Synths, die Drexciya durchaus zitieren, unweigerlich euphorisiert.
Die Tracks enden meist so jäh, wie sie beginnen, auf neumodische Konventionen wie bedeutungsschwangere Intros oder quälend langes Ausfaden lässt sich die Kommandobrücke nicht ein. Das gilt auch für das introvertierte "Signal Filtering From Interstellar Noise", das sämtliche seiner Klangebenen sanft in Berührung bringt.
"Encoder" bolzt ebenso ohne Vorwarnung los, nimmt wieder an Fahrt auf und klingt nach ebenjener Peaktime, die Raver*innen momentan verwehrt bleibt. Dominierte bislang eher die Electro-Auslegung Donalds, scheint hier die exakte Balance zwischen Eleganz und Warp-Antrieb gefunden. Erwähnenswert auch die traumhaften Snares, die glänzend metallisch und luftig-weich zugleich klingen.
"Time Aperture" mit seinen raumgreifenden Flächen beweist aber im Anschluss, dass dem Duo an Ekstase nicht primär gelegen ist. Zugleich hält der Track wunderbar als Beispiel für die stilistische Varianz des besonders oft als monoton betitelten Genres her. In der Intensität weitaus bedachter als sein Vorgänger besitzt der Track seine Stärken in der Varianz und seiner Melodik.
Mit "3.26 Parallax Seconds" folgt eine ausgiebige Synth-Exkursion, die mit einem breitem Break im Mittelteil eine Zäsur setzt. "Search For Artificial Intelligence" legt den Schalter wieder auf Attacke um, poltert schrill und nervenzehrend seine zweieinhalb Minuten ab. Spätestens hier wird klar: The Exaltics & Heinrich Mueller sind nicht angetreten, um zu innovieren. Wie sollen sie auch? Electro dürfte das Segment in der elektronischen Musik sein, das am stärksten ausdefiniert ist.
Mit "Dimensional Shift" samt Paris The Black Fu beweisen sie aber zweierlei: Grandioses Arrangement – der Track verfügt zudem beinahe über eine Songwriter-Struktur – ist noch immer gut für Überraschungen. Und Electro in Perfektion macht nach wie vor extrem viel Spaß bereitet.
Die erneute Drexciya-Stilblüte "Microwave Photon" sowie "Closing The EPR Bridge" beenden dieses überaus gelungene Kleinod dann in ruhiger Manier. Diese Kollabo drängt förmlich dazu, sich gegen den musikjournalistischen Allgemeinplatz des Einforderns von Innovationen auszusprechen. Stilistische Perfektion schlägt hier klar den Ruf nach zwanghaftem Fortschritt – zumal dieser ohnehin seit dessen Genese ins Genre eingeschrieben ist.
1 Kommentar
Exaltics auf laut.de, wer hätte das gedacht! Daumen nach oben!