laut.de-Kritik
Von der Couch bis zur Tanzfläche: Ninja Tune rechnet ab.
Review von David HilzendegenNinja Tune rechnet ab. Nachdem The Herbaliser der Londoner Plattenschmiede den Rücken gekehrt und bei !K7 in Berlin unterschrieben haben, ist es an der Zeit, das Kapitel zu schließen - eine Best Of also.
Inwieweit solche Zusammenstellungen der vermeintlich besten Titel in Zeiten von iTunes, 7digital, Amazon, usw. tatsächlich noch Sinn ergeben, ist durchaus fraglich. Der wirklich interessierte Hörer dürfte jedenfalls kein Problem haben, seine ganz persönlichen Lieblingsstücke anhand von Hörproben zusammenzustellen und für ebenfalls relativ kleines Geld herunterzuladen. Dennoch scheinen derlei Compilations nach wie vor zu funktionieren, anders ist die stetige Flut der Veröffentlichungen nicht zu erklären.
Glücklicherweise gehen Best Ofs heute nicht mehr mit dem Ende einer Karriere einher, sondern sind allenfalls als Zwischenschritt zu deuten. Sehen wir es also positiv: The Herbaliser haben es sich auch irgendwie verdient, von ihrer langjährigen musikalischen Heimat geehrt zu werden: Fünf grandiose Studioalben stehen für Ninja Tune zu Buche, gefolgt vom nicht minder hervorragenden "Same As It Never Was" - zusätzlich zu den beiden live eingespielten Sessions der Herbaliser Band.
Umso aussichtsloser bleibt die Aufgabe, aus dieser Quantität nur die beste Qualität herauszufiltern. Das Debüt "Remedies" von 1995 wurde dabei komplett vernachlässigt. Dafür findet sich in "Stranded On Earth" ein Titel, der bereits auf !K7 zurückgeht. Zudem komplettiert jeweils ein Auszug aus den beiden Teilen der "Session" ("Mr Chombee Has The Flaw" und "Ginger Jumps The Fence") sowie der bislang unveröffentlichte "March Of The Dead Things" die Zusammenstellung.
Dabei scheint es sich um eine ältere Nummer zu handeln, denn sie offenbart eben diese Soundunterschiede, die sich durchgehend zwischen den älteren und neueren Stücken auftun. Es ist erstaunlich wie viel flacher die älteren Produktionen im Vergleich mit den vier Titeln der 2005er "Take London" klingen ("Gadget Funk", "Nah'mean Nah'm Sayin' ft. Jean Grae", "Song For Mary", "Tea & Beer ft. Jean Grea"). Der Zusammenarbeit mit einer Studioband sei Dank.
Doch das ist Jammern auf hohem Niveau. Wer Roots Manuvas Zunge bereits zwei Jahre vor dessen bahnbrechenden "Run Come Save Me" einen solchen roten Teppich unterlegt, hat auch damals alles richtig gemacht. Und wer MF Doom einen so passenden Beat hinlegt, das er sich ohne Probleme (aber zugegebenermaßen mit etwas mehr Bumms) auch auf dessen unter dem Pseudonym King Geedorah veröffentlichten "Take Me To Your Leader" hätte wiederfinden können, ist ohnehin nahezu unangreifbar.
Man hätte es sich natürlich auch einfach machen können und eine chronologische Abfolge mehr oder weniger erfolgreicher Titel einer jeden Veröffentlichung anbieten können. Doch dieses Vorgehen würde dem Soundkosmos der Herbaliser nicht gerecht werden. In treuer Verbundenheit schlängeln sich Funk ("Gadget Funk"), Jazz ("Mr Chombee Has The Flaw") und poppiges Easy Listening ("Stranded On Earth") um basslastige Hip Hop-Beats, die auf Couch ("The Sensual Woman") wie Tanzfläche ("Tea & Beer ft. Jean Grae") gleichermaßen funktionieren.
Dabei ist es nebensächlich, ob Vokalisten berücksichtigt werden oder nicht. The Herbaliser stehen bereits seit Anbeginn für hochwertige Instrumentals, die für sich sprechen. Gleichzeitig beweisen sie seit jeher das Ohr für die richtige Stimme am Mikrofon: Es ist eine Schande, wie unterschätzt eine Jean Grae trotz diverser gelungener Gastauftritte noch immer ist.
15 Jahre Bandgeschichte kompakt serviert auf 16 Tracks. Empfohlen für den Neuling, der sich einhören möchte, aber keine Zeit oder Lust mitbringt, sich selbst durch allerlei Hörproben zu klicken. Allen anderen sei die Diskografie ans Herz gelegt. Einen Fehlkauf gibt es bei dieser Band ohnehin nicht.
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