laut.de-Kritik
Umfangreiche Sammlung mit unveröffentlichtem Material.
Review von Giuliano BenassiAuch ohne ein wehmütiger Mensch zu sein, kommt beim Gedanken an Jeff Healey stets ein Gefühl des Bedauerns auf. Ein früher Tod passt zwar zum Leben eines Rockers, um so mehr zu einem Gitarristen. Doch das Schicksal, oder wie auch immer man es nennen mag, hat es mit dem Kanadier nicht gut gemeint: Im Alter von acht Jahren hat ihm der Krebs erst das Augenlichts geraubt, um ihn dann mit 41 in die ewigen Jagdgründe zu befördern.
Das Bedauern stammt aber weniger von der persönlichen Tragödie als von Healeys verstummtem Talent. 1988 reichten wenige Takte aus seinem ersten Album "See The Light", um die Rockwelt in Staunen zu versetzen.
"Die Blindheit war ein großer Vorteil für meine Karriere, weil ich dadurch viele Platten verkauft habe. Daran gibt es keinen Zweifel", beantwortete er später die erste von zwei Fragen, die in jedem Interview unweigerlich aufkamen. "Spielen ist spielen – egal, wie du das Instrument hältst", sagte er bei der anderen, die seine unorthodoxe Haltung ansprach.
Ob auf dem Schoß liegend oder zwischen seine Zähne angehoben – seine Gitarre war ein Teil von Healeys Körper, wie die DVD in dieser Sammlung zeigt. Live waren Healey und seine Mitstreiter Joe Rockman (Bass) und Tom Stephen (Schlagzeug) phänomenal.
Ob "Confidence Man", "See The Light" oder eine sensationelle Version von George Harrisons "While My Guitar Gently Weeps" – nicht nur die Zuschauer, sondern auch viele Kollegen lagen ihnen ergeben zu Füßen. So zeigt die DVD Auftritte mit Stevie Ray Vaughan, Eric Clapton, Keith Richards und den Ramones, wenn auch leider nur ausschnittsweise. In den sehenswerten 72 Minuten finden auch Interviewschnipsel und Videos Platz.
Dabei zeigt sich der Graben zwischen Studioarbeit und Livetätigkeit, der die ersten Jahre von Healeys Karriere bestimmte. Videos und Singles waren meist seichte Balladen, begleitet von hochgestylten Schönheiten. Auch die rockigeren Stücke fielen viel zu gezähmt aus.
Wie die erste CD unter Beweis stellt. Ob die erfolgreiche Auskopplung "Angel Eyes" oder das schnulzige "I Tried", von dem hier zum ersten Mal das Video zu sehen ist: Einen bleibenden Eindruck hinterlassen die wenigsten Stücke. Darunter "While My Guitar Gently Weeps", das hier mit einer Tonspur von Eric Clapton angereichert ist, und "I Think I Love You Too Much" mit David Knopfler.
Ganz anders verhält es sich mit CD 2, die bisher unveröffentlichtes Livematerial enthält. Erstaunlich, dass die Band zu Beginn der 90er Jahre am Höhepunkt ihrer Karriere keinen Konzertmitschnitt veröffentlicht hat, denn da war sie absolut entfesselt. Die ersten sieben Stücke stammen aus jener Zeit und reißen auch heute noch mit, wenngleich die Soundqualität zu wünschen übrig lässt.
Zu Beginn des neuen Jahrtausend ließ Healey den Bluesrock seiner Jugend zumindest im Studio hinter sich und wandte sich mit Trompete dem Jazz der 30er Jahre zu. Davon ist auf dieser Sammlung nichts zu hören, doch das dürfte das Thema eines zukünftigen "Volume Two" werden. Bis dahin genießen wir die Künste eines Gitarristen, dem das Schicksal, oder wie auch immer man es nennen mag, übel mitgespielt hat.
Noch keine Kommentare