laut.de-Kritik
Kreativitäts-Bremse Nostalgie.
Review von Henrike MöllerEin Album, das man eher unter den Schätzen eines Vintage Plattenladens vermuten würde als im "Neu"-Regal der CD-Abteilung eines Elektronik-Fachmarkts. Nostalgisch veranlagt waren The Magic Numbers zwar schon immer; ihren Hang zu altmodischen Klangkulissen haben sie auf "Alias" aber noch ein gutes Stück vorangetrieben.
Seltsamerweise ruft die Platte jedoch kein glückseliges Schwelgen in glanzvollen Tagen vergangener Musik-Epochen hervor. Ihrem Anachronismus haftet eher der verbrauchte Muff alter Möbel an. Spätestens nach der Hälfte der Stücke wünscht man sich, ein Hauch Gegenwart möge den fast durchgängig präsenten 70er-Jahre-Sound ein wenig auffrischen.
Zur Mitte hin wird die Platte besonders retrolastig. Der mit Philly-Streichern bestückte, voluminöse Track "Roy Orbison" leitet eine drei Stücke anhaltende Romantik-Kitsch-Phase ein, die mal balladesk-poppig, mal discomäßig daherkommt.
"Thought I Wasn't Ready" erinnert anfänglich an Bobby Hebb's "Sunny", mutet aber sehr viel sentimentaler und harmloser an. Zum groovigen "E.N.D" kann ausgelassen geschwoft werden. Vor dem geistigen Auge sieht man sich in alte Tanzschulzeiten versetzt. Der für Discofox geeignete Song hätte das Parkett sicher gut gefüllt.
"Accidental Song" hingegen schwankt zwischen friedlichen, ruhigen Strophen und kurzen, verzerrten Gitarren-Ausbrüchen im Refrain. Diese rockigeren Parts, die bisweilen an Kings of Leon erinnern, dienen bei genauerer Betrachtung als eine Art Vorbote; kündigen sie doch einen Farb- und Stimmungswechsel an, der sich in den letzten drei Stücken vollzieht.
Besonders bemerkenswert ist dabei der Track "Enough", dessen Psychedelic-Vibe eine angenehme Abwechslung zur vorherigen Seichtigkeit darstellt. Der Song windet sich fast sechs Minuten lang durch allerei düstere und experimentelle Klanglandschaften. Eine dreckige E-Gitarre übernimmt dabei die Rolle des Hauptdarstellers. Ohne Streicher und engelsgleichem Frauen-Backgroundchor entsteht ein sehr viel erdigerer Eindruck, dessen Ausstrahlungskraft einen durchaus packt.
Charakteristisch für den letzten Titel "Black Rose" ist der kontrollierte Wechsel zwischen traurigem Klavier und dem kurzen Aufbäumen einer Schrabbel-Gitarre, wodurch die Folknummer einen interessanten Twist bekommt.
Mit ihrem vierten Album legen The Magic Numbers, rein technisch betrachtet, kein schlechtes vor. Die Arrangements weisen viele Breaks und Wendungen auf. Allein der Opener "Wake Up" ist eine sechsminütige, dramaturgische Reise durch cineastische Klavier-Parts, progressiven Folk-Rock und ein liebliches Instrumental-Outro.
Doch "Alias" sperrt sich zu sehr aktuellen musikalischen Strömungen. Es scheint so, als habe die Band ab den 70ern aufgehört, Musik zu konsumieren. Dieses Credo à la "Früher war alles besser" endet jedoch in einer Sackgasse. Nostalgie ist eben kein kreativer Motor.
Noch keine Kommentare