laut.de-Kritik
Morse of the same, aber mit Zungenschnalzen.
Review von Yan VogelDas Leben als Reise und Suche nach dem Sinn gibt neben Liebe und Beziehung wohl die meist besungene Hintergrundfolie ab. Angesicht der Pluralität von Lebensentwürfen und der Vielzahl an Entscheidungen eine klare Linie zu finden, fällt nicht einfach.
Für Neal Morse stellt sich die Sache so dar: der Herrgott schaltet, der Herrgott waltet und am Ende geht alles gut aus. Trotz der festen Burg, die er in seinem Kopf errichtet hat, besingt der Meister aller Tasten Jahr für Jahr die Irrungen und Wirrungen, die der Glaube so mit sich bringt.
Allein was das eigene Portfolio betrifft, erschienen in den letzten drei Jahren drei Konzeptalben. Morse of the same, aber mit Zungenschnalzen. "The Similitude Of A Dream", "The Great Adventure" und "Jesus Christ The Exorcist" sind allesamt musikalisch proppevolle Doppeldecker. Diesbezüglich ohne Zweifel erhaben, überzeugen auch die Texte, die weniger mit erhobenem Zeigefinger denn mit zweifelnder Geste daherkommen.
Auf Konserve seine Mission in die Welt zu tragen, stellt das eine dar. Aber auch live schüren Morse und seine Mannschaft die Begeisterung. Hierfür zählt der Endfünfziger auf seine beste Hintermannschaft seit seligen Spock's Beard Zeiten.
Drum-Krake und Workaholic Mike Portnoy (Sons Of Apollo, Flying Colors) und Bassist Randy George bilden schon seit zwanzig Jahren die Rhythmus-Gruppe. Die Neuen im Bunde, Gitarrist Eric Gilette und Keyboarder Bill Hubauer, bringen frischen Wind in die Segel des Morseschen Kahns. Gerade Gilette etablierte sich in den letzten Jahren neben den Saiten-Gespannen von Haken und Leprous als potentientieller Petrucci-Nachfolger.
BRNO, was klingt wie das Geräusch von zerkauten Steinen, ist eine Stadt in Tschechien. Hier gastierte The Neal Morse Band, um die Platte von 2019 im Rahmen der "Great Adventour" auf die Bühne zu bringen. Fällt dieser Release im Vergleich zu "The Similitude Of A Dream" vielleicht ein wenig ab, gerät die Live Umsetzung hingegen umwerfend.
"The Great Adventure" versprüht mehr Zunder, was den Songs mehr Drive verleiht. Insbesondere die Light-Show und die Visuals untermalen die Reise des Protagonisten auf eindringliche Art und Weise. Am besten genießt man die Platte in Gänze. Aber einige Marker stechen dennoch hervor.
Den Titeltrack versieht das Quintett mit einer Country-Einlage und Morse packt obendrein die Trillerpfeife aus. Die düsteren Momente wie "The Great Despair" oder "Fighting With Destiny" erhöhen die emotionale Fallhöhe und bringen Portnoys Metal-Roots zur Geltung.
Im himmelhochjauchzenden Finale lässt Gilette nicht nur die Gitarre singen, sondern auch die Engel - gerade dessen Stimmgewalt steht Mainman Morse gut zur Seite. Dieser übt sich die gesamte Spieldauer über in einiger Travestie, die den Verlauf der Story illustriert, ohne in kitschige Gefilde abzudriften. Auch die Zugabe bestehend aus einem halbstündigen Medley kompiliert kreativ das umfangreiche Œuvre inklusive "Testimony 2" und "The Grand Experiment".
Wie bereits bereits bezüglich der Aufbereitung der Morsefest-Releases von 2014 und 2015 zeigen die Daumen auch bei dieser Veröffentlichung nach oben. Wem der Gang zur Kirche ob des Muffs unter den Gewändern zu nervig ist, lässt lieber zur Neal Morse Band das schüttere Haupthaar kreisen.
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