laut.de-Kritik

Die Band kitzelt Unerhörtes aus sich heraus.

Review von

Mit "The Similitude Of A Dream" legte die Neal Morse Band Ende 2016 ein bemerkenswertes Werk vor. Die spirituelle Erweckungsreise rauschte in gewohnt angenehm abwechslungsreicher Art durch die Ohren, gewann durch den Input der restlichen Bandmitglieder um Drum-Doktor Mike Portnoy (Sons Of Apollo, Ex-Dream Theater) aber eine Frische, die vorherigen Alben wie "The Grand Experiment" oder "Kaleidoscope" abging.

Und auf den ersten Eindruck wirkt der Nachfolger wie ein Déjà-vu: Ins Auge springt das an "Similitude" angelehnte Artwork und ein auf zwei CDs ausgebreitetes Konzept mit wiederkehrenden Themen. Zudem ähneln sich die zentralen Tracks. Overtüren gehören ebenfalls zum Standard. So findet sich mit "Welcome To The World" das Pendant zu "City Of Destruction, das wie auf dem Vorgänger brillant von Saitenvirtuose Eric Gillette gesungene Finale "A Love That Never Dies" besitzt eine vergleichbare Dramatik wie "Broken Sky".

Ist "The Great Adventure" also nun der im Schatten stehende Zwilling? Ganz so einfach stellt es sich nicht dar. Denn die Story triggert die Musik. Ging es bei "The Similitude Of A Dream" um einen Protagonisten namens Christian, folgt ihm nun dessen Sohn Joseph auf den Pfad des ewigen Suchens. Wie es sich für einen verlassenen Sohn gehört, gerät dessen Temperament deutlich zorniger, abgründiger und widerspenstiger. Insofern kennzeichnen seine Begegnung mit Trieben und abgründigen Neigungen sowie die Suche nach höheren Weihen Brüche und Diskontinuität.

Tatsächlich kitzelt die Band Unerhörtes sich heraus und lotet extreme Darstellungsformen aus, um diesem konzeptuellen Überbau Rechnung zu tragen. Auf der einen Seite stehen poppige Ausflüge, die gar Neals letzten Singer/Songwriter-Ausflug "Life & Times" in Sachen Pop-Appeal übertrumpfen, etwa die überschwängliche, den Reiz des ersten Mals feiernde Gute Laune-Nummer "Hey Ho Let's Go" oder das hedonistische "Vanity Fair".

Daneben begibt sich das Quintett in "Dark Melody", "Fighting With Destiny" oder "The Great Despair" in die Abgründe des seelischen Kerkers. Die Fallhöhe zwischen den diversen Genres bedingt ein aufmerksames Einhören in den Kosmos von Morse, Portnoy und Co., steckt hier doch förmlich der Teufel im Detail. Am Ende geht freilich alles gut, und der Hörer erfreut sich an neuen Meilensteinen wie dem Titeltrack, der die Aufbruchstimmung des Protagonisten in ein "Spirit Of The Radio"-artiges Gewand kleidet.

Mit "The Great Adventure" liefert die The Neal Morse Band ein herrlich vertracktes Werk voll großartiger Melodien ab - ein ebenbürtiger Nachfolger zum Konzept-Monster von 2016.

Trackliste

CD1

  1. 1. Overture
  2. 2. The Dream Isn't Over
  3. 3. Welcome To The World
  4. 4. A Momentary Change
  5. 5. Dark Melody
  6. 6. I Got To Run
  7. 7. To The River
  8. 8. The Great Adventure
  9. 9. Venture In Black
  10. 10. Hey Ho Let's Go
  11. 11. Beyond The Borders

CD2

  1. 1. Overture 2
  2. 2. Long Ago
  3. 3. The Dream Continues
  4. 4. Fighting With Destiny
  5. 5. Vanity Fair
  6. 6. Welcome To The World 2
  7. 7. The Element Of Fear
  8. 8. Child Of Wonder
  9. 9. The Great Despair
  10. 10. Freedom Calling
  11. 11. A Love That Never Dies

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