laut.de-Kritik
Mit einzelnen Perlen, aber zu wenig Innovation.
Review von Katja ScherleOktober im Januar – eine Konstellation, die förmlich dazu zwingt, über den unanständig milden Winter 2006/2007 zu schwadronieren. Dies soll jedoch an dieser Stelle nicht geschehen. Doch lassen The October mit ihrem zweiten Album "Bye Bye Beautiful" das ein oder andere vorfrühlingshafte, musikalische Schneeglöckchen sprießen. "Through The Waves And Stars" kündet mit einem einprägsamen, klaren Gitarrenintro vom Lenz. Gegen Schluss kommt dieses Motto wieder und flankiert schließlich in höheren Lagen den von Drums eingeleiteten Britpop-Höhepunkt im Einstiegstrack der US-Amerikaner. Der Nachfolger "Kings And Queens" klingt dann ähnlich, so auch "Complex Lines" und "Eyes Closed".
Ja, er wird häufig gezogen, der Vergleich von jungen Bands mit den Gitarrenklängen U2s oder Coldplays. Aber er passt nun auch so oft. Auch The October konstruieren, natürlich auf ganz ehrliche, handgemachte Britpop-Indie-Weise, ein homogenes Werk aus hohen Gitarren, die tatsächlich vor Gefälligkeit nur so strotzen. Dennoch resultiert zu viel der Einschmeichelung irgendwann auch in Ablehnung. Und immer die gleichen Stilmittel zu verwenden, bedeutet nicht zwangsläufig, einen eigenen Stil zu haben.
Der knutschfreudigen Muse The Octobers sei Dank finden sich – und man muss gar nicht lange suchen – doch ein paar kleine Lieblingskandidaten auf "Bye Bye Beautiful": An "Sending Echoes" kann man den schnellen Takt mögen und die lang gehaltenen Töne werden gerne mitgesungen, wonach besonders auch die mehrmals ausgestoßenen punkesken "Heys" verlangen. Auch wenn sie sich im Solo wieder vordrängeln, die unvermeidlichen hohen Gitarren – bis Minute dreieinhalb hat man den Song so lieb gewonnen, dass man ihn in seine songseligen Arme schließt. Nachts, so gegen halb eins im Club des Vertrauens, noch nicht ganz betrunken, könnte "Sending Echoes" ein Herzwärmer sein, wenn auch die dritte Attacke auf die Dame nebenan fehlgeschlagen ist.
Gern verliert man sich in diesem Zustand im Hall der Gitarren und Dustin Burnetts semi-traurigem Gesang. Dieser spielt durchaus in einer Liga mit dem Las Vegas-Pathos, der auch amerikanische Buben wie Brandon Boyd und selbstverständlich Brandon Flowers so anziehend macht. Der Collegerock, ebenfalls vom Kontinent gegenüber, ist übrigens, obwohl der Promozettel ihn der Band attestiert, nicht so durchdringend.
Nummer sieben von zwölf, "Down", geriert sich durch seine ungewöhnliche Akkordfolge im Refrain samt Mehrstimmigkeit ebenfalls als Aufhorcherle. Obwohl diese mittlerweile jede zweite Alternative-Band, die sich musikalischen Anspruch auf die Fahnen und in die "Pressestimmen"-Sektion der Homepage schreiben will, verwendet, fällt der Track angenehm schwerer hörbar aus der leichten Eingängigkeit heraus. Desgleichen vollbringen auch textliche Highlights wie in "M.I.A. (I Will Find You)", nämlich "You talk talk talk too much" oder elektronische und doch organisch anmutende Klangspielchen wie in "Birth". "On Fire", mit Franz Ferdinand im Rhythmus, ehrwürdigem Hard Rock in der Gitarre, beschließt hübsch ein tieftrauriges ... And You Will Know Us By The Trail Of Dead-Klavier.
Hörte man The October im Radio, zwischen Bon Jovi und Anastacia, gäben sie einem Anlass, freudig alternativ-frische Luft zu schnappen. Doch geballt auf ihrem Album sind sie leider über weite Strecken eine der Bands, die in jedem Akkord schreien nach Phrasen wie: "Wenn du (beliebige seinerzeit neuartige Alternative-Band) mochtest, wirst du The October lieben." Freudenstürme ob der Innovativität ziehen allerdings beim Hören nicht über einen hinweg.
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