laut.de-Kritik
Von Sklerose keine Spur.
Review von Dani FrommAm Anfang schufen The Orb den Rave, wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe. Und die Stimme Lee 'Scratch' Perrys schwebte auf dem Wasser, und er sprach: "God is a soulman." Selbst als erklärter Ungläubiger möchte man einem Gott, der die Liebe zur Musik in die Seele aller Beteiligten säte und ihnen als Dreingabe zum Talent auch noch Aufgeschlossenheit schenkte, ein kleines Dankesbriefchen nach oben schicken.
Jeder auf seinem Gebiet haben sie längst Pionierarbeit geleistet. Gemeinsam brechen sie nun zu neuen Ufern auf: Alte Männer wagen den Clash der Kulturen. Von Sklerose keine Spur. The Orb und Lee 'Scratch' Perry legen einen überaus gelenkigen Spagat zwischen minimalistischem Elektro und durch und durch organischem Dub-Reggae hin.
Geloopte Soundschnipsel bilden die schlichten Gerüste, denen sich, Rost, Moos, Flechten und Patina gleich verschiedenste Schichten anlagern. Auf den Brücken, die Perry und The Orb zwischen den Genres schlagen, lassen sie Pacman-Geister flotten Gespensterboogie tanzen. Tiefenentspannt und zugleich unerhört funky brodelt "Hold Me Upsetter", ehe "Go Down Evil" zu einem wahren Kreuzzug von einer Space Odyssey aufbricht: "Let's try to be perfect", drunter machen die Zausel es nicht - und das hehre Ziel scheint plötzlich zum Greifen nah.
Die musikalische Schöpfungsgeschichte in "Soulman", gibt einen Eindruck von der Größe, zu der sich oszillierende Flächen aufschwingen können, düngt man sie mit einer Spur Wahnsinn. Entspannte, ziellose Ambient-Klänge entwickeln Kontur, wachsen sich, von Sekunde zu Sekunde digitaler, zu Minimal-Techno-Strukturen aus und heben mit Rückenwind von Lee 'Scratch' Perry, der dem Ganzen noch eine Botschaft mit auf den Weg gibt, schließlich ab.
"What were the stars like when you were young?" Mr. Perry lässt sich nicht lange bitten, erzählt von "Golden Clouds", der wunderbaren Vielfalt, dem Rausch der Formen, Farben und Töne, und bringt ganz nebenbei einer weiteren Generation den Klassiker "Police & Thieves" nahe. The Orb lassen dazu, wie mühelos aus dem Hemdsärmel geschüttelt, Basslinien wobbeln, entlocken ihrer Elektronik das richtige Fiepen im richtigen Moment.
Wie ein Voodoo-Priester lässt Lee 'Scratch' Perry seine Beschwörungsformeln vom Stapel. "I've got something to show you", heißt er willkommen. "See it, hear it, feel it. Smell it, taste it, feel it." Mit allen Sinnen genießen - davon versteht der Mann schließlich etwas.
Seine altersweisen Ratschläge wirken einmal mehr so simpel wie zeitlos wahr: "Come on! Respect your wife and respect your life", so einfach kann es sein." In seiner vergnügten, geradlinigen, lebensfrohen Unaufgeregtheit wirkt Perry zuweilen wirklich nicht von dieser Welt. "I'm living in the moon, in the stars, on Jupiter and Mars." Ja. Wer, wenn nicht er?
1 Kommentar
Allemal interessant: Bin Fan von keinem der Beteiligten, aber gemeinsam haben sie eine schöne, gemütlich aber nicht langweilig vor sich hin groovende Scheibe gemacht, die das beste aus beiden Welten verbindet (und dabei nie eintönig wird).
Nicht der Oberknaller, aber immer mal gern genommen